Veranstaltung: | 48. Landesdelegiertenkonferenz in Neukieritzsch |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 12 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Wolfram Günther (KV Mittelsachsen), Achim Wesjohann (KV Dresden), Tobias Peter (KV Leipzig), Carsten Enders (KV Dresden), Susanne Krause (KV Dresden), Thomas Löser (KV Dresden), Matthias Jobke (KV Leipzig), Jürgen Kasek (KV Leipzig), Michael Schmelich (KV Dresden) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 05.03.2018, 15:19 |
V06: Bezahlbares Wohnen in Sachsen sichern
Antragstext
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen setzen sich für die Sicherung bezahlbaren
Wohnraums in ganz Sachsen ein. Gerade in Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt
besteht hier sich akut verschärfender Handlungsbedarf. Das betrifft aktuell vor
allem die beiden sächsischen Großstädte Dresden und Leipzig. Aber Entwicklungen
in diese Richtung sind bereits auch für Chemnitz, Kommunen im Umland der
Großstädte und zum Teil sogar in weiteren Mittelstädten festzustellen. Zunehmend
werden einkommensarme und sozial benachteiligte Menschen aus bestimmten
Quartieren verdrängt. Unser Ziel ist es, möglichst große Bestände an Wohnungen
zu erhalten und neu zu schaffen, die außerhalb des marktwirtschaftlich auf
Profitmaximierung orientierten Wohnungsmarktes bestehen, in dem Mietwohnungen
private Kapitalanlagen darstellen. Dafür wollen wir den Anteil von Wohnungen in
öffentlicher und genossenschaftlicher Hand erhöhen, genauso wie den von
kooperativen Wohnformen und Bauprojekten, Selbst(aus)bauprojekten und
experimentellem Wohnungsbau. Seit Jahren sinkt die Zahl der Wohnungen mit
Mietpreis- und Belegungsbindung (sogenannte Sozialwohnungen) in den sächsischen
Städten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen streben an, dass wieder mehr Wohnungen
zu sozialverträglichen Mieten (v.a. aber nicht ausschließlich in öffentlichem
und genossenschaftlichem Besitz) geschaffen werden. Zielgruppen für diese
Wohnungen sind sowohl Menschen mit geringem Einkommen als auch
Transferempfänger*innen.
Sozialen Wohnungsbau in Sachsen mit 5.000 Wohnungen jährlich richtig starten
Nach langem Widerstreben hat die sächsische Staatsregierung Ende 2016 auch auf
GRÜNEN Druck hin ein sächsisches Förderprogramm für sozialen Wohnungsbau
aufgelegt und dazu eine Förderrichtlinie erlassen. Allerdings wird aktuell nur
ein Bruchteil der bereitgestellten Bundesgelder dafür eingesetzt. Vom Bund
bekommt die sächsische Staatsregierung anteilig aus den bundesweit dafür
bereitgestellten Mitteln aktuell jährlich ca.142 Mio. Euro für soziale
Wohnraumförderung.
Diese Mittelzuweisungen vom Bund sind verbunden mit der ausdrücklichen Erwartung
an die Länder, diesen Betrag aus eigenen Mitteln zu verdoppeln.
Von diesen ca.142 Mio. Euro des Bundes für Sachsen werden allerdings nur ca. 40
Mio. Euro jährlich für Baukostenzuschüsse für sozialen Wohnungsbau
bereitgestellt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen fordern die Staatsregierung
auf, die Sachsen vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für soziale
Wohnraumförderung vollständig zu verwenden und mit eigenen Landesmitteln auf
eine Gesamtsumme von 200 Mio. Euro zu verstärken. Mit einer Förderung in dieser
Höhe könnten ca. 5.000 Sozialwohnungen jährlich in Sachsen neugebaut bzw.
saniert werden. Dies entspricht ungefähr dem aktuellen Bedarf.
Verbot für preiswerte Mieten in der Förderrichtlinie kippen
Die konkreten Bedingungen in der vorliegenden Förderrichtlinie erschweren den
Erfolg des sozialen Wohnungsbaus massiv. Aus den betroffenen Städten Leipzig und
Dresden kommt vielstimmige Kritik an den Detailbestimmungen des Programms. Um
das Programm zum Erfolg zu führen und es als relevanten Baustein zu nutzen, um
das Segment an preiswerten Wohnungen langfristig dauerhaft zu vergrößern, muss
die Richtlinie dringend überarbeitet werden. Problematisch ist insbesondere die
in der aktuellen Förderrichtlinie eingebaute 'Mietpreisbremse nach unten'. Wer,
wie z.B. kommunale Unternehmen aus sozialer Verantwortung dauerhaft preiswerten
Wohnraum schaffen will, wird momentan mit dieser Förderrichtlinie bestraft und
benachteiligt. Dies wird an zwei Stellen in der aktuellen Richtlinie
festgeschrieben: Sobald die Kaltmiete für die 15 Jahre Förderzeitraum mehr als 5
Prozent unter den Sätzen der Kosten der Unterkunft liegt, wird die Förderung
gekürzt. In Leipzig liegen die Kosten der Unterkunft aktuell bei etwas über 5
Euro pro Quadratmeter, in Dresden bei über 6 Euro pro Quadratmeter. Um den
maximalen Fördersatz zu bekommen, zwingt die Förderrichtlinie mit diesem Passus
z.B. die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, hohe Kaltmieten zu verlangen.
Zusätzlich soll die Förderung laut aktueller Förderrichtlinie in der Regel 35
Prozent der Angebotsmiete betragen. Das würde in der Konsequenz bedeuten, dass
die Investoren, die die volle Förderung von 3,50 Euro je Quadratmeter haben
wollen, mit Kaltmieten von 10 Euro pro Quadratmeter kalkulieren müssen (3,50
Euro Höchstsatz entspricht 35 Prozent der Angebotsmiete laut
Richtlinienvorgabe). Davon werden über den Förderzeitraum (aktuell 15 Jahre) den
Mieter*innen der Sozialwohnung 3,50 Euro je Quadratmeter erlassen, die die
Investoren monatlich als Förderzuschuss für 15 Jahre bekommen. Bleiben nach der
gegenwärtigen Förderlogik immer noch 6,50 Euro je Quadratmeter Kaltmiete übrig.
Eine solche Angebotsmiete ist zu hoch, um dämpfende Wirkung beim steigenden
Mietspiegel der großen Städte zu entfalten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen
fordern die Abschaffung des gegenwärtigen Förderprinzips, welches dazu führt,
dass niedrigere Mietangebote zu reduzierter Förderung führen. Es ist durch einen
Baukostenzuschuss zu ersetzen, der keine Mindestmieten vorschreibt und nicht wie
aktuell in der Richtlinie festgelegt, dazu führt, dass die neugeschaffenen
Sozialwohnungen bereits nach 15 Jahren aus der Bindungsfrist fallen.
Bindungsfristen für Belegungsrechte verlängern
Nach 15 Jahren verfällt aktuell die Mietbindung und die geförderten
Sozialwohnungen können − noch teurer − vermietet werden. Für BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN in Sachsen ist dieser Ansatz nicht ausreichend. Wir fordern, die
Mietbindung als Sozialwohnung auf mindestens 25 Jahre zu verlängern und den
Kommunen bei der Ausgestaltung der Richtlinie mehr Gestaltungsmöglichkeiten
einzuräumen.
Zusätzlich muss die Richtlinie auch auf den Erwerb bisher nicht
belegungsgebundenen Wohnraums und dessen Umwidmung zu Sozialwohnungen erweitert
werden.
Förderbeschränkung auf Leipzig und Dresden aufheben, landesweit sozialen
Wohnungsbau ermöglichen
Die Auswahl der Kommunen, die überhaupt das Landesförderprogramm nutzen dürfen,
ist derzeit sehr streng und limitiert. Aktuell gelten die Anforderungen für die
beantragenden Kommunen nur dann als erfüllt, wenn sämtliche Kriterien (u.a.
Leerstandsquote, Mietentwicklung, usw.) im gesamten Stadtgebiet im Durchschnitt
erfüllt sind. Für die Förderung kommen daher aktuell nur Dresden, Leipzig und
Heidenau in Frage.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen treten dafür ein auch anderen Kommunen den
Zugang zu diesem Förderprogramm zu ermöglichen. Nicht nur aus Chemnitz wird
Bedarf gemeldet, auch Klein- und Mittelstädte rund um die Metropolregionen
könnten Bedarf anmelden. Die Fokussierung auf den Stadtteilbezug anstelle auf
die Gesamtstadt kann somit auch den Kommunen den Zugang zum Förderprogramm
ermöglichen, die bereits klar einen Bedarf gegenüber der Staatsregierung
angezeigt haben. Das würde bedeuten: Die Forderungen der Gebietskulisse für die
beantragenden Kommunen sind auch dann als erfüllt anzusehen, wenn diese sich auf
einzelne Stadtgebiete und nicht nur auf die durchschnittliche Gesamtstadt
beziehen. Dies wäre ein aktiver Schritt für eine gesamtstädtische
Stadtentwicklung und gegen die Segregation einzelner Stadtteile.
Mietermitbestimmung einführen und fördern
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen setzen sich dafür ein, Instrumente der
Mietermitbestimmung einzuführen. Wir wollen gerade auch im sozialen Wohnungsbau
das Bauen mit den zukünftigen Bewohner*innen erproben. Erfahrungen aus anderen
Städten zeigen, dass durch Transparenz und Mitsprache Baukosten gesenkt und die
Identifikation mit dem Wohnumfeld gestärkt werden können. Adressat*innen dieser
Forderung sind in erster Linie die öffentlichen kommunalen
Wohnungsbaugesellschaften. Hier empfehlen wir auf die vielfältigen Erfahrungen
aus Berlin, Gießen oder München zurückzugreifen. Wir fordern die Überarbeitung
der Förderrichtlinie des Landes auch im Bereich Mietermitbestimmung. Denjenigen
kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, die sich selbst verbindlich zur
Mietermitbestimmung verpflichtet haben, soll bevorzugt Förderung zuteil werden.
Wohnungsbau ökologisch und klimafreundlich gestalten
Gutes Wohnen ist mehr als die Grundversorgung mit bezahlbarem Wohnraum. Wir
wollen, dass der geförderte Neu- und Ausbau von Sozialwohnungen auch an
ökologische Kriterien gekoppelt wird und mit einem möglichst schonenden Umgang
mit unseren natürlichen Ressourcen einhergeht. Um möglichst wenig Böden zu
versiegeln und viel Grün zu erhalten, müssen Nachverdichtung und das Weiterbauen
im Bestand klaren Vorrang vor Siedlungserweiterung und teureren
Erschließungsmaßnahmen haben. Bei der Neuerschließung haben für uns
Wohnungsbauflächen Priorität, die gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden
sind. Im Mittelpunkt einer klimafreundlichen und zugleich mieterfreundlichen
Wohnungspolitik muss perspektivisch auch eine Senkung der Energiekosten stehen.
Gebäudesanierung darf nicht für Luxusmodernisierungen missbraucht werden,
sondern muss sich durch sinkende Energiekosten auch tatsächlich für die
Betroffenen auszahlen.
Verstärkte Förderung vor allem nicht profitorientierter, kooperativer Träger
Wir wollen beim Ausbau des Wohnungsangebots die Vielfalt und Mischung von Wohn-
und Eigentumsformen fördern. Wir machen uns für die kleinteilige Parzellierung
von Bauland stark und wollen insbesondere Kollektivhausprojekte durch eine
gezielte Förderpolitik stärken. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften,
Wohnungsgenossenschaften (auch Einhausgenossenschaften), kooperative Wohnformen
und Bauprojekte, Selbst(aus)bauprojekte und experimenteller Wohnungsbau sind
vorrangig zu fördern. Dabei sind auch die Maßnahmen (Moderation, Beratung,
Gutachten u.a.) als förderfähig einzustufen, die zur Gründung dieser Bauträger
oder zum Kauf oder Erbbaurecht durch Vereine, der Gründung einer GmbH im
Mietshäuser Syndikat oder auch der Realisierung eines Stiftungsprojekts führen.
Wir fordern, dass Immobilien in öffentlicher Hand vorrangig im Rahmen der
konzeptgebundenen Vergabe an gemeinnützige Wohnungsbauträger vergeben werden.
Wir setzen uns dafür ein, nach Vorbild des Wiener Modells einen Wohnfonds als
revolvierenden Fonds aufzulegen, der direkt gemeinnützige Wohnungsbauträger
durch nicht rückzahlbare Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen finanziert. Aus
diesem Fonds könnten auch Flächen durch das Land angekauft werden. Die Vorteile
liegen auf der Hand: Das Bauen wird durch staatliche Darlehensfinanzierung
günstiger als auf dem freien Kapitalmarkt, das Geld fließt zurück an die
öffentliche Hand und eine indirekte Finanzierung von Banken wird vermieden.
Zudem würde dadurch Kapital bereitstehen, mit dem zukünftig wirkungsvoll das
Vorkaufsrecht in Gebieten mit Erhaltungssatzung ausgeübt werden kann - Geld, das
durch Weiterkauf an gemeinnützige Träger ebenfalls zurückfließt. Sachsen würde
so langfristig in soziale Immobilien investieren.
Wohnungszweckentfremdung einschränken
Aufgrund der zunehmend angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt besteht vor allem
seitens der Städte Dresden und Leipzig verstärkt Bedarf und der Wunsch,
Zweckentfremdung von Wohnraum insbesondere für Ferienwohnungen (Airbnb etc.)
effektiv eindämmen zu können.
Im vergangenen Jahr war etwa in Leipzig eine zunehmende Anzahl von Anträgen auf
Nutzungsänderung in Ferienwohnungen zu beobachten. Die Umwandlung von Wohnungen
in Ferienwohnungen verschärft allerdings die Situation auf dem angespannten
Wohnungsmarkt in den sächsischen Großstädten. Zunehmend werden immer mehr
Eigentumswohnungen auch ausschließlich als Ferienwohnungen jeweils in
Kurzfristintervallen vermietet.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen setzen sich dafür ein, dass Kommunen durch den
Landesgesetzgeber das Recht erhalten für Gebiete, in denen die ausreichende
Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen
besonders gefährdet ist, Wohnungszweckentfremdung durch Satzung einschränken zu
können. Als Zweckentfremdung soll in diesen Gebieten u.a. definiert werden
können, wenn mehr als 50 Prozent des Wohnraums für mehr als insgesamt zwölf
Wochen jährlich für Zwecke der Fremdenbeherbergung, insbesondere einer
gewerblichen Zimmervermietung genutzt wird. Die Schaffung der rechtlichen
Möglichkeit für die Kommunen, im Bedarfsfall entsprechende Satzungen zu
erlassen, stärkt zugleich die kommunale Selbstverwaltung.
Änderungsanträge
- V06-005 (Martin Schmidt (Chemnitz KV), Eingereicht)
- V06-008 (LAG Soziales (dort beschlossen am: 14.03.2018), Eingereicht)
- V06-091 (Martin Schmidt (Chemnitz KV), Eingereicht)
- V06-123 (LAG Soziales (dort beschlossen am: 14.03.2018), Eingereicht)
- V06-126 (Carla Groß, Nicht zugelassen)
- V06-126-2 (Martin Schmidt (Chemnitz KV), Eingereicht)
- V06-127 (LAG Soziales (dort beschlossen am: 14.03.2018), Eingereicht)