redaktionell
Antrag: | Integration in Sachsen – Herausforderungen meistern, Chancen nutzen, Teilhabe ermöglichen! |
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Antragsteller*in: | Achim Wesjohann |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 03.03.2017, 08:58 |
Antrag: | Integration in Sachsen – Herausforderungen meistern, Chancen nutzen, Teilhabe ermöglichen! |
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Antragsteller*in: | Achim Wesjohann |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 03.03.2017, 08:58 |
Beratungsstruktur für traumatisierte Geflüchtete (Traumaambulanzen)
Nach der Asylstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurden in
Sachsen in den Jahren 2015/2016 insgesamt 53.001 Asylanträge gestellt. Da die
Ursachen von Flucht weltweit nicht beseitigt sind, werden weitere Menschen zu
uns kommen. Viele wollen bleiben und dauerhaft Teil unserer Gesellschaft werden.
Integration bedeutet Angebote zu machen, für Chancengerechtigkeit zu sorgen und
die Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Lebensgestaltung und für
Begegnungen auf Augenhöhe zu schaffen. Unabdingbar dafür sind gegenseitiger
Respekt und Akzeptanz. Die Chancen einer gelingenden Integration liegen darin,
dass sich die Menschen aufeinander zu bewegen.
Das Jahr 2015 hat gezeigt, dass die in Sachsen vorhandenen Konzepte zur
Zuwanderung und Integration weder in ihrer Ausrichtung noch in der Ausgestaltung
geeignet sind, um für eine spürbare Weichenstellung in Richtung einer
gelingenden Integration zu sorgen. Das im Bund beschlossene Integrationsgesetz
ist einseitig auf Pflichten fokussiert, Teilhaberechte bleiben außen vor.
2012 hatten Migrantenorganisationen das vorliegende Zuwanderungs- und
Integrationskonzept der sächsischen Staatsregierung vor allem deshalb scharf
kritisiert, weil die politische Teilhabe von Migrantinnen und Migranten darin
keine Rolle spielt. Wir aber wollen, dass diese zu einem Element der sächsischen
Integrationspolitik wird.
Auch Sachsen ist ein Einwanderungsland und deshalb braucht es dringend eine
Integrationspolitik, die Probleme aufgreift, gemeinsam mit relevanten Akteuren
und einer engagierten Zivilgesellschaft Lösungsansätze erarbeitet und umsetzt.
Wir wollen, dass Sachsen sich dieser Aufgabe stellt – ein Integrationsgesetz ist
dafür dringend erforderlich.
Teilhabe ermöglichen
Die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen und
politischen Leben ist uns GRÜNEN ein elementarer Wert. So sollen auch
Migrantinnen und Migranten die gleichen Chancen und Möglichkeiten wie alle
anderen Menschen haben, die in Sachsen leben. Denn nur wer sein Lebensumfeld
aktiv mitgestalten kann, kann Identifikation entwickeln und sich so zu Hause
fühlen. Die Teilhabe an Prozessen wie Kommunalwahlen oder die Mitarbeit in
Beiräten darf nicht durch die Frage der Herkunft oder des Aufenthaltsrechts
bestimmt werden.
Werte kennen zu lernen funktioniert gut, wenn Geflüchtete schnell Zugang zu
Vereinen und Verbänden erhalten, denn diese arbeiten wertgeleitet und prägen mit
ihrer Arbeit die deutsche Gesellschaft entscheidend. Die Bandbreite der
Vereinslandschaft bietet zudem vielfältige Anschlussmöglichkeiten.
In der Zeit, in der die sächsische Staatsregierung nur ungenügend in der Lage
war, Geflüchtete angemessen unterzubringen, zu versorgen und zu betreuen, hat
sich in Sachsen eine Initiativlandschaft etabliert, deren Wissen und Netzwerke
bis heute strukturell unverzichtbar sind. Wir GRÜNEN wollen, dass dieses
freiwillige Engagement langfristig erhalten und gefördert wird. Insbesondere die
sächsischen Förderrichtlinien zu integrativen Maßnahmen und sozialer Betreuung
müssen entsprechend angepasst und ein Integrationsmonitoring etabliert werden.
Die jetzt notwendigen Maßnahmen für eine gelingende Integration können jedoch
nicht mehr nur im Ehrenamt geleistet werden, der Staat muss seiner Verantwortung
ebenso gerecht werden, wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Medien und
Zivilgesellschaft.
Asylverfahren verbessern
Aktuell richtet sich auch in Sachsen der Fokus auf das Thema Integration. Es
darf jedoch nicht passieren, dass wir das Thema Flucht und Asyl aus den Augen
verlieren. Noch immer gibt es tausende von unbearbeitete Asylanträge in Sachsen,
die Wartezeiten nehmen sogar noch zu. Seit Mitte März 2016 betrifft das auch
alle syrischen AntragstellerInnen, deren Anträge nun nicht mehr im kürzeren
Fragebogenverfahren, sondern über Anhörungen bearbeitet werden. Sachsen muss
sich stärker als bisher für die Aufstockung der personellen Ressourcen der
Außenstellen des BAMF zur Absicherung von zügigen, fairen und qualifizierten
Asylverfahren einsetzen. Es ist eine wesentliche Voraussetzung für gelingende
Integration, dass Asylsuchende nicht in langer Ungewissheit verharren müssen.
Humanitäre Flüchtlingspolitik erhalten
Neben all den zu führenden Debatten über die innere Sicherheit darf der
humanitäre Ansatz der deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik nicht aufgegeben
werden. Im Jahr 2016 sind auf der Flucht so viele Menschen im Mittelmeer
ertrunken, wie nie zuvor. Die Zustände in den europäischen Flüchtlingslagern wie
z. B. in Griechenland und Serbien sind fürchterlich. Diese humanitäre
Katastrophe darf nicht ausgeblendet werden. Wir setzen uns für die Einrichtung
von Landesaufnahmeprogrammen ein, um legale Einreisewege zu schaffen.
Abschiebungen in Krisengebiete lehnen wir sächsischen GRÜNEN ab.
Aber auch die Rückkehrbedingungen von Menschen aus sogenannten sicheren
Herkunftsländern aus dem Westbalkan sind sehr schlecht. So lange Ausgrenzung und
Diskriminierung von Angehörigen von Roma-Gemeinschaften auf der Tagesordnung
stehen, muss das Engagement jedes einzelnen Bundeslandes in diesen Ländern
verstärkt werden. Vor Ort müssen Projekte gefördert werden, die die Roma-
Gemeinschaften strukturell stärken
Für sichere Unterbringung sorgen
Noch immer ist die Unterbringungssituation für Geflüchtete in manchen
Einrichtungen unbefriedigend. Auch menschenunwürdige Wohn- und Lebenssituationen
sind nicht völlig beseitigt. Für viele Traumatisierte fehlt es an adäquater
gesundheitlicher Versorgung. Nicht überall ist die Sicherheit von Frauen,
Kindern, Lesben und Schwulen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates
sowie in den Gemeinschaftsunterkünften der Kommunen gewährleistet. Solche
Sicherheitsdefizite müssen sofort behoben werden. Auch die Verteilpraxis der
Zentralen Ausländerbehörde muss sich stärker als bisher an den strukturellen
Bedürfnissen von schutzbedürftigen Minderheiten unter den Geflüchteten
ausrichten.
Dass der Familiennachzug auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
eingeschränkt wurde, sorgt nicht nur für Unruhe unter den betroffenen Kindern
und Jugendlichen. Diese Einschränkung hat rein gar nichts mit
verantwortungsvoller Integrationspolitik zu tun.
Gesundheitsversorgung verbessern
Das Asylbewerberleistungsgesetz gewährt Asylsuchenden zu Beginn ihres
Aufenthalts in Deutschland nur eine medizinische Notversorgung (akute Erkrankung
und Schmerzzustände). Diese wird im Freistaat Sachsen über ein aufwändiges,
bürokratisches und diskriminierendes Verfahren sichergestellt: Asylsuchende
müssen, bevor sie medizinisch versorgt werden, beim Sozialamt einen
„Krankenschein“ beantragen. Die Entscheidung über die Bewilligung des
Krankenscheins trifft in aller Regel eine Person, die nicht über medizinische
Fachkenntnisse verfügt. Die GRÜNE Landtagsfraktion hat dazu einen Antrag in das
parlamentarische Verfahren eingebracht, in dem es – nach dem Vorbild der Stadt
Bremen – um die Einführung einer digitalen Krankenkassenkarte in Sachsen geht,
welche den Bezug von Leistungen mit einer eingeschränkten Grundversorgung
ermöglicht. Die Vorteile dieses Verfahrens liegen auf der Hand: Kostenklarheit
für Betroffene und Krankenkassen, vereinfachter Arztzugang und Entlastung der
Verwaltungen in den Sozialämtern.
Obwohl in der parlamentarischen Anhörung im sächsischen Landtag die Mehrheit der
Sachverständigen für die Einführung der Gesundheitskarte geworben und auch der
Bund die gesetzlichen Grundlagen für Länderregelungen geschaffen hat, weigert
sich die sächsische Staatsregierung nach wie vor, die Gesundheitskarte
einzuführen. Aus unserer Sicht eine unverständliche Haltung. Da sich der
Freistaat auch hinter dem fehlenden Willen der kreisfreien Städte und Landkreise
versteckt, müssen wir über unsere Stadt- und Kreisräte entsprechende Beschlüsse
initiieren und Druck aufbauen.
Im Jahr 2016 arbeiteten in Leipzig, Dresden und Chemnitz interkulturell
ausgerichtete Flüchtlingsambulanzen. Wir sehen in dieser besonderen Struktur ein
erfolgreiches, auch integrationsbeförderndes Konzept für die besonderen
Bedürfnisse Geflüchteter. Die Aufgabe der Flüchtlingsambulanz in Leipzig Anfang
des Jahres 2017 sehen wir kritisch.
Das Grundgesetz gilt nicht nur für Migrantinnen und Migranten
Auch in Sachsen wird in der öffentlichen Debatte versucht, Geflüchtete
abzuschrecken, auszugrenzen und zu stigmatisieren. Das befördert ein
gesellschaftliches Klima, in dem Rechtspopulisten Oberwasser bekommen und
Angriffe auf Leib und Leben von Geflüchteten zur Tagesordnung gehören. Teile der
CDU spielen mit dem Feuer, wenn sie sich auf diese Debatten einlassen, sie sogar
befördern und vertreten.
Es ist selbstverständlich, dass die Werte des Grundgesetz als Grundpfeiler des
Zusammenlebens für alle hier lebenden Menschen gelten. Sie sind nicht
verhandelbar, gleich welcher Herkunft, Religion oder politischer Ausrichtung die
Menschen angehören. Wir verschließen nicht die Augen davor, dass diese Werte
nicht von allen gleichermaßen geteilt werden. Das betrifft die Ankommenden und
die Aufnahmegesellschaft. Nicht immer ist der Ruf nach Wahrung unserer Werte
ehrlich, sondern dient eher der Abgrenzung und Abwehr.
Denn wenn die Werte des Grundgesetzes von allen Deutschen verinnerlicht wären,
bräuchten wir kein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, kein
Gleichstellungsgesetz, keine Vorschriften zur Nichtdiskriminierung, keine
Frauenschutzhäuser. Wir wissen, dass es unmöglich ist, innerhalb von nur wenige
Wochen dauernden Integrationskursen das abstrakte Wertegefüge unserer
Gesellschaft zu verinnerlichen. Wer das verlangt und bei Nichterfüllung mit
Sanktionen droht, handelt unredlich und hat einen verklärten Blick auf die
deutsche Realität.
Integration geht alle an
Integration ist ein Prozess, der am ersten Tag beginnen muss. Im gleichen Maße
wie wir Anstrengungen von den Geflüchteten verlangen, müssen auch wir uns –
Staat und Gesellschaft gleichermaßen – Anstrengungen abverlangen. Auf dem Weg
wird es viele Herausforderungen geben, doch die Chancen für unsere Gesellschaft
überwiegen. Mit Offenheit, Neugier und einer respekt- vollen und akzeptierenden
Grundhaltung werden wir die anstehenden Aufgaben aber bewältigen.
Natürlich sind die aus Flucht und Asyl resultierenden Aufgaben ein großen
Kraftakt für Sachsen – aber in diesem Kraftakt liegt auch die Chance,
Versäumnisse der letzten Jahrzehnte aufzuarbeiten. Denn deutlich mehr
Investitionen in Bildung, Wohnen, Arbeit und Gesundheit sind nicht erst seit
2015, sondern seit langem notwendig!
Was ist zu tun?
Sachsen braucht ein Integrationskonzept, das über die nächsten Jahre trägt,
kurz- und langfristige Zielstellungen benennt und mit entsprechenden Mitteln
ausgestattet ist.
In Sachsen mangelt es an strukturierten, ressort- und verwaltungsübergreifenden
Maßnahmen zur Integration, deshalb muss das Integrationskonzept dieses Manko
beheben und das „Ankommen“ sowie die ganze Breite der „Integrationsfelder“
enthalten.
Bei der Umsetzung der Maßnahmen müssen ehrenamtliches Engagement, die Arbeit der
Wohlfahrtsverbände und Freien Träger sowie staatliches Handeln stärker
zusammenfinden.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch, in welchem Umfang es uns gelingen wird,
Menschen mit Migrationshintergrund für die neu zu schaffenden Stellen und
Aufgaben zu gewinnen. Für eine gelingende Integration brauchen wir die
MigrantInnen in den Kitas und Schulen, in den Jobcentern und Verwaltungen, in
den Krankenhäusern und Universitäten ebenso, wie in der Politik. Integration
setzt die interkulturelle Orientierung und Öffnung von Institutionen voraus! Es
ist an der Zeit, dass Sachsen sich öffnet!
Für uns GRÜNE sind folgende Schwerpunkte in einem Integrationskonzept und die
rechtliche Absicherung über ein Integrationsgesetz von zentraler Bedeutung:
Forderung 1: Hilfe beim Ankommen
Ausbau der Strukturen der Flüchtlingshilfe / Integrationswegweiser
Ermöglichung unabhängiger Asylverfahrensberatung bereits in der
Erstaufnahmeeinrichtung (EAE)
Förderung des Spracherwerbs bereits in der EAE
Ausbau von Jugendmigrationsdienst und Migrationserstberatung
Beratungsstruktur für traumatisierte Geflüchtete (Traumaambulanzen)
Interkulturelle Sensibilisierung der Träger / Personal von Regelangeboten
Ausbau Beratung zur Erfassung von Kompetenzen / Berufsabschlüssen
Ausbau Beratung Anerkennung von Zeugnissen / Berufsabschlüssen
Verbesserung der Kooperation zwischen Sächsischem Staatsministerium des
Inneren und der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration
Bessere Unterstützung der Kommunen bei der Schaffung von dezentralen
Unterbringungsmöglichkeiten
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende
Verbesserung der Personalausstattung Clearingstellen für unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge
soziale Betreuung mindestens 6 Monate nach Rechtskreisübergang
Forderung 2: Förderung der gesellschaftlichen Orientierung und des Spracherwerbs
Öffnung der Integrationskurse für alle – die Bleiberechtsperspektive darf
nicht allein über den Zugang entscheiden
Flexibilität und Anpassung der Integrationskurse an den differenzierten
Lernbedarf und die spezifischen Bedürfnisse von Frauen einschließlich der
Absicherung der Kinderbetreuung in der Zeit des Kursbesuchs
Ausbau bestehender Integrationsangebote zur Vermittlung der Werte unserer
pluralistischen offenen Gesellschaft – dazu gehören Themen wie
Gleichberechtigung, Religionsfreiheit, Freiheit der Lebensentwürfe ebenso
wie das Existenzrecht Israels
Aufstockung der Deutschkurse für verschiedene Qualifikationsniveaus – vom
Analphabeten bis zum Universitätsprofessor
Stärkung der Volkshochschulen als Träger von Spracherwerb in den
ländlichen Räumen
Schaffung einer zentralen Plattform für Informationen zu Sprachkursen
einschließlich der entsprechenden Zugangsvoraussetzungen und
Abschlussmöglichkeiten
Forderung 3: Teilhabe durch Zugang zu Bildung
In Sachsen gilt die Schul- und Berufsschulpflicht, unabhängig von ihrem
Aufenthaltsstatus. Mit dem System der Vorbereitungsklassen, dem Unterrichtsfach
Deutsch als Zweitsprache und der schrittweisen individuellen Integration in die
Regelklassen verfügt Sachsen eigentlich über ein gutes Konzept, um eine
gelingende Integration zu erreichen.
Allerdings leidet das System an einem erheblichen Mangel an Ressourcen
(LehrerInnen, SozialarbeiterInnen, PsychologInnen, MigrationsberaterInnen,
Räumlichkeiten, Ausstattung) und den daraus resultierenden Schwierigkeiten, auf
die sehr unterschiedlichen Bildungskarrieren der Geflüchteten zu reagieren.
Die derzeitige Orientierung am Lebensalter bei der Zuweisung in
Vorbereitungsklassen entspricht in vielen Fällen nicht den aus unterschiedlichen
Gründen vorhandenen Defiziten im altersgerechten Bildungsstand. Hier fordern wir
neue Konzepte – die Orientierung am Bildungsstand und nicht am Alter für die
Zusammensetzung von Vorbereitungsklassen wäre hierzu ein erster Schritt. Weiter
muss die begleitende individuelle Bildungsberatung für junge Geflüchtete und
deren Eltern gestärkt und ausgebaut werden.
Besondere Beachtung braucht die Altersgruppe der jugendlichen Geflüchteten, die
nicht mehr der Schulpflicht unterliegen. Auch sie brauchen schließlich schnelle
Zugänge zum Erwerb der deutschen Sprache und eine dem Bildungsstand
entsprechende Vorbereitung auf eine Berufsausbildung. Für einen großen Teil
dieser Gruppe ist der Hauptschulabschluss zu ermöglichen. Das kann nur gelingen,
wenn Arbeits- und Bildungsagentur, Wirtschafts- und Integrationsministerium
zusammenarbeiten.
Das Beispiel der Dresdner städtischen Unternehmen, die in Kooperation mit den
Beruflichen Schulzentren für Elektrotechnik und Technik Dresden eine
Pilotprojekt zur langfristigen kontinuierlichen Integration von jungen
Geflüchteten in den Arbeitsmarkt gestartet haben, muss in Sachsen Schule machen.
Sachsen muss endlich mehr in die Bildungsinfrastruktur investieren!
Wir brauchen eine landesweite Bildungsoffensive, um für mehr
Bildungsgerechtigkeit zu sorgen. Kita, Schule und Hochschule schaffen nicht nur
einen neuen Alltag mit vielfältigen Kontakten, sondern sie sichern berufliche
Perspektiven und sind der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben. Ob
geflüchtet oder nicht: Alle Kinder und Jugendlichen, die in unserem Land leben,
müssen von starken öffentlichen Bildungsinstitutionen profitieren können.
Zu den Schwerpunkte bei der Schaffung der strukturellen Rahmenbedingungen für
ein inklusives Bildungssystem und den schnellen Zugang zu Spracherwerb und
Bildung in Kita, Schule und Hochschule (Start mit mindestens 200 Millionen
Euro/Jahr zusätzlich) gehören für uns:
Ausbau der „Willkommenskitas“ / interkulturelle Sensibilisierung der
Erzieherinnen und Erzieher in Kita und Hort
Ausbau der Ausbildungskapazitäten für Studierende im Fach Deutsch als
Zweitsprache (DaZ) an allen lehramtsausbildenden Hochschulen im Freistaat
Sachsen
Schaffung von weiteren Fortbildungskapazitäten für LehrerInnen zum Erwerb
einer Lehrbefähigung / - erlaubnis im Fach DaZ
BewerberInnen mit einem akademischen Abschluss im Fach „Deutsch als
Fremdsprache“ (DaF) im Einstellungsverfahren für den sächsischen
Schuldienst berücksichtigen und gezielte Angebote zur berufsbegleitenden
Fortbildung für diese BewerberInnen schaffen
Verankerung eines Deutsch-als-Zweitsprache-Moduls in allen Lehrämtern
Einsatz von DolmetscherInnen bei Kontakten zwischen SchülerInnen, deren
Eltern und der Schule, Schulaufsicht oder -verwaltung absichern
Zahl der Anrechnungsstunden für BetreuungslehrerInnen erhöhen
Unterstützungsangebote und kontinuierliche Fortbildung für LehrerInnen zur
Vermittlung interkultureller Kompetenz
Verbesserung der Ausstattung der bestehenden Strukturen der Kinder- und
Jugendhilfe sowie Aufstockung der Schulsozialarbeit
Beratung zur Anerkennung von im Ausland erbrachten Studienleistungen
Forderung 4: Teilhabe durch Berufsausbildung und Zugang zum Arbeitsmarkt
Umsetzung eines sächsisches Gesamtkonzept staatlicher Regelmaßnahmen zur
Förderung der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten mit den Schwerpunkten:
Frühzeitige Feststellung von Kompetenzen und Berufserfahrung, um
Unterstützung und Qualifizierungsmaßnahmen aufeinander abzustimmen
Ausbau berufsbezogener Sprachkurse und Arbeitsmarktcoaching, Ausbau
flüchtlingsspezifischer Qualifizierungsangebote an beruflichen Schulen
Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen der Sächsischen Bildungsagentur
und den Arbeitsagenturen / Jobcentern bei der Vermittlung konkreter
Angebote für nicht mehr schulpflichtige jugendliche Geflüchtete und
Regelfinanzierung der Angebote
Schaffung von Begleitstrukturen während einer Ausbildung oder der
Eingliederung in einen Beruf
Einsatz für den Abbau von rechtlichen Hemmnissen beim bundesweiten
Ausbildungs- und Arbeitsmarktzugang für Geflüchteter – insbesondere der
Residenzpflicht, der Vorrangprüfung und bei restriktiven Regelungen zur
Ausbildungsförderung nach SGB III und zum Bleiberecht
Keine Ausnahme beim Mindestlohn
Sensibilisierung der Wirtschaft, insbesondere der kleinen und mittleren
Unternehmen für die Chancen, die sich aus einem erleichterten
Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete ergeben – Förderung von Kooperationen
und Initiativen, die Berufsabschlüsse Geflüchtete in unterbesetzten
Ausbildungsberufen ermöglichen.
Weiterer integrationspolitischer Handlungsbedarf
Wohnen und Leben
Es braucht geeigneten Wohnraum für alle Menschen, die in Sachsen leben. Obwohl
landesweit über 200 000 Wohnungen leer stehen, leben noch zu viele Geflüchtete
in Gemeinschaftsunterkünften. Gerade in den sächsischen Ballungszentren fehlt es
an bezahlbarem Wohnraum und das nicht nur für Geflüchtete. Deshalb ist der
soziale Wohnungsbau wesentlich für die gleichberechtigte Teilhabe
einkommensschwacher Gruppen am sozialen und kulturellem Leben. Integration kann
nur gelingen, wenn die MigrantInnen unter uns und nicht am Rande der Stadt oder
in separaten Vierteln wohnen.
Dabei gilt es auch, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt zu verhindern.
Ausbaufähig bei der Bereitstellung von Wohnraum für Geflüchtete ist das
Engagement vieler kommunaler Wohnungsbaugesellschaften und
Wohnungsgenossenschaften.
Wir setzen weiterhin auf die dezentrale Wohnunterbringung als einen besonders
wichtigen Baustein bei der Integration der Geflüchteten. Dabei ist insbesondere
in den ländlichen Regionen darauf zu achten, dass Geflüchtete nicht
vordergründig in entlegene und schlecht an die soziale Infrastruktur
angeschlossene Orte zugewiesen werden.
Wir sächsischen GRÜNEN lehnen eine Wohnsitzauflage für Geflüchtete und damit die
Einschränkung deren Bewegungsfreiheit ab. Integration kann nicht gelingen, wenn
wir Menschen zwingen, an einem zugeteilten Ort zu leben. Stattdessen müssen die
Voraussetzungen für die Einbindung Geflüchteter in das gesellschaftliche
Miteinander sowie deren Zukunftsperspektiven vor allem auf dem Land verbessert
werden.
Es gibt allerdings auch Geflüchtete, die große Schwierigkeiten haben sich in
ihrer neuen Lebenssituation zurechtzufinden, die durch Sprachbarrieren,
Bildungsstand und kulturelle Unterschiede Mühe haben, die deutsche Verwaltung,
das Gesundheits- und Bildungssystem zu verstehen und eine längere
Orientierungsphase benötigen. Häufig sind solche Menschen mit den
Herausforderungen des Lebensalltages in einer eigenen Wohnung überfordert und
bevorzugen deshalb das Wohnen in einer Gemeinschaftseinrichtung. Wir wollen
deshalb solche Einrichtungen erhalten und qualifizieren, indem dort die soziale
und administrative Betreuung ausgebaut wird.
Interkulturelle Öffnung der Verwaltung
Gelingende Integration braucht gleichberechtigte und barrierefreie Zugänge zu
Regelangeboten öffentlicher Verwaltungen und Institutionen und das Erbringen von
Dienstleistungen in gleichwertiger Qualität für alle Nutzergruppen, die
öffentliche Verwaltung in Anspruch nehmen. Das setzt den Willen zur
interkulturellen Öffnung voraus.
Neben der interkulturellen Fortbildung von VerwaltungsmitarbeiterInnen sehen wir
vor allem im verstärkten Einsatz von muttersprachlichen Fachkräften sowie
Dolmetschern in den kommunalen Ämtern akuten Handlungsbedarf. Auch der Anteil
von MigrantInnen an den Beschäftigten und den Auszubildenden ist in Sachsens
öffentlichen Verwaltungen und Institutionen steigerungsfähig.
Wir wollen, dass in jeder kreisfreien Stadt und in jedem Landkreis ein
Integrationszentrum nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen implementiert wird.
Dort sollen die Neuankömmlinge Ansprechpartner und Aufklärung über die ihnen
zustehende finanzielle Unterstützung finden und auch den Ehrenamtlichen Hilfe
anbieten. Eine zentrale Anlaufstelle für alle Beteiligten vor Ort ist wichtig,
damit Geld, Kompetenzen, Know-how und Engagement gebündelt werden. Das Land soll
sich an den Kosten angemessen beteiligen.
Politische Partizipation
Wir GRÜNEN wollen, dass Geflüchtete darin bestärkt werden, ihre Interessen
eigenständig zu vertreten, sich am politischen Willensbildungsprozess in Sachsen
zu beteiligen und ihre demokratischen Grundrechte in Anspruch zu nehmen. Auch
unsere Partei muss sich stärker als bisher für MigrantInnen öffnen.
Während MigrantInnen aus Nicht-EU-Staaten auf kommunaler Ebene dieselben
Pflichten haben wie StaatsbürgerInnen, bleibt ihnen das Kommunalwahlrecht als
wichtigstes politische Recht nach wie vor verwehrt. Wir wollen, dass sich die
Staatsregierung über eine Bundesratsinitiative für die Unterzeichnung des
bereits 1992 vom Europarat verabschiedeten Übereinkommens zur Beteiligung von
AusländerInnen am kommunalen öffentlichen Leben einsetzt.
Wir wollen, dass Migrations- / Ausländerbeauftragte und Migrations- /
Ausländerbeiräte verpflichtend für alle kreisfreien Städte und Landkreise sind
und ihre Arbeit angemessen finanziert wird. Die entsprechenden rechtlichen
Voraussetzungen dafür sind durch eine Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung
zu schaffen.
Zwischen Spracherwerb, Schule, Ausbildung, Arbeit und politischer Teilhabe sehen
wir eine wichtige Etappe in der gesellschaftlichen Teilhabe von MigrantInnen.
Vereine und Verbände – insbesondere auch die Jugendverbände – bieten die
Möglichkeit, Gemeinschaft zu erleben, Verantwortung zu übernehmen und
Erfahrungen zu sammeln. Die Förderung der Jugendverbandsarbeit und die Förderung
von Vereinen ist entsprechend der wachsenden Integrationsaufgaben kontinuierlich
zu sichern und auszubauen. Hier sehen wir sowohl das Land als auch die Kommunen
in der Pflicht.
Rassismus und Gewalt bekämpfen
Geflüchtete sowie ihre Unterstützerinnen und Unterstützer werden vielfach mit
Rassismus, Diskriminierung, Hass und Gewalt konfrontiert. Für Menschen, die vor
Krieg und Gewalt zu uns geflohen sind, ist Sachsen nach wie vor ein unsicheres
Land. Dem Schutz von Flüchtlingseinrichtungen ist deshalb oberste Priorität
einzuräumen.
Zivilgesellschaftliche Initiativen, die eine unverzichtbare Arbeit zur
Demokratiestärkung leisten, sind ebenso wie mobile Beratungsteams,
Opferberatungsstellen und Antidiskriminierungsstellen zu stärken und langfristig
zu fördern. Die Wahrung ihrer Unabhängigkeit ist essentiell für die Akzeptanz
bei Geflüchteten und MigrantInnen. Den sich abzeichnenden Abbruch der Förderung
vieler ehrenamtlicher Strukturen, insbesondere in den ländlichen Regionen,
kritisieren wir und fordern die Staatsregierung auf, erfolgreiche Projekte zu
erhalten und bestehende Strukturen längerfristig zu fördern.
Bürgerschaftliches Engagement für Geflüchtete ist eine tragfähige Brücke zur
Integration. Durch dieses Engagement werden Begegnungen ermöglicht, die das
gegenseitige Verständnis fördern und Vielfalt als Bereicherung erlebbar machen.
Viele Menschen in Sachsen verfügen über einen Schatz an Integrationserfahrungen,
der noch zu wenig seinen Niederschlag in der Politik findet. Stärker als bisher
sollten daher die Kommunen und der Freistaat diese Erfahrungen aufgreifen und in
die politische Ausgestaltung des Integrationsprozesses im Freistaat übernehmen.
redaktionell