Veranstaltung: | 49. Landesversammlung in Leipzig |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 14 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | LAG Wirtschaft (dort beschlossen am: 10.08.2018) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 10.08.2018, 11:48 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V5NEU: Nachhaltig und zukunftsfähig – GRÜNE Wirtschaft für Sachsen
Antragstext
Transformation in Richtung einer nachhaltigen Bioökonomie
In vielen Wirtschaftszweigen werden knappe natürliche Ressourcen verschwendet,
sie werden unwiederbringlich verbraucht. Schutz und Erhaltung unserer
natürlichen Lebensgrundlagen Wasser, Boden und Luft werden vernachlässigt. Dies
kann verändert werden: traditionsreiche Branchen in Sachsen (z.B. Baustoff-,
Textil- sowie Chemie- und Kunststoffindustrie) können den Wachstumskern einer
nachhaltigen Wirtschaft bilden.
Sachsen hat das Potenzial, gerade auch anstelle der vielerorts Naturraum
bedrohenden Großlandwirtschaft auf umweltschonende, zukunftsfähige Agrarkonzepte
umzuschwenken und dadurch nachhaltig gesicherte Arbeitsplätze zu erhalten und zu
schaffen. Das gleiche kann in der Forstwirtschaft durch eine Umstellung weg von
der Energieerzeugung hin zu höheren Wertschöpfungszyklen geschehen. Dadurch
können in ländlichen Räumen Existenzgrundlagen in nachhaltigen
Wirtschaftszweigen bewahrt werden. Keiner der primären Wirtschaftssektoren
Sachsens ist derzeit hinreichend auf den fortschreitenden Klimawandel
vorbereitet. Weiterhin werden in Sachsen unvermindert nicht-erneuerbare
Rohstoffe wie Braunkohle, Erze, Spate, Kies und Sand abgebaut, deren Förderung
bei erheblicher Umweltschädigung mit nur wenig langfristigem wirtschaftlichem
Potential einhergeht. Gleichzeitig erzeugt die Produktion der gewerblichen
Wirtschaft einen erheblichen Importbedarf an Rohmaterialien auf nicht
nachwachsender Basis für die Produktion von Fahrzeugen
und Fahrzeugteilen, Datenverarbeitungsgeräten sowie elekronischen und optischen
Geräten. Das bedeutet, dass Sachsens Wirtschaft heute heute stark von fossilen
Rohstoffen abhängig ist. Häufig dienen Sachsens Betriebe als verlängerte
Werkbank für derzeit stark im Umbruch befindliche Branchen, deren Produktion im
Freistaat betrieben wird, aber deren Zukunftsentscheidungen außerhalb Sachsens
gefällt werden, insbesondere in der Mikroelektronik und im Automobilbau. Mittel-
und langfristig ist die sächsische Wirtschaft derzeit weder nachhaltig noch
stabil.
Wir GRÜNE suchen einen Weg, der auf nachhaltig erzeugten und nachwachsenden
Rohstoffe basiert. Mit dieser Strategie verbindet sich ein klarer Vorrang für
hochwertige, langlebige Erzeugnisse aus Naturmaterialien. Besonders für
nachwachsende Rohstoffe bemühen wir uns um die Umsetzung des Prinzips der
„Verwendungskaskaden“. Diese sollen bei einer höherwertigen Nutzung beginnen und
erst am Ende der stofflichen Verwendungen in Kompostierung oder Verbrennung
münden. Fossile Rohstoffe könnten in weiten Teilen der gewerblichen Wirtschaft
Sachsens ersetzt und ansonsten deutlich stärker als bisher in Kreislaufsystemen
bewahrt werden, wo zahlreiche Recyclingschleifen möglich sind.
Teile der sächsichen Baustoff- und Textilindustrie arbeiten bereits in hohem
Maße mit nachwachsenden Rohstoffen. Vom modernen Holzbau bis hin zur Produktion
von Automobilteilen aus Faserverbundstoffen bieten sich überzeugende
Entwicklungspotentiale. Synergien können sich aus der Kombination mit bio-
basierten Kunststoffen der Chemieindustrie ergeben. Die Holz und Kunststoffe
verarbeitende Industrie in Sachsen ist bereits gut entwickelt. Die Möbel- und
Papierindustrie sind im Hinblick auf die Verwendungen von gesundheitsschädlichen
Zusätzen, Neben- und Reststoffen weiterzuentwickeln, um die gefahrlose
Weiterverwertung von Abfallprodukten im Verwertungskreislauf sicherzustellen.
Derzeit kleine Branchen wie die Pharma- und Kosmetikindustrie können bio-basiert
auch in ländlichen Regionen wachsen. Im Maschinenbau und in der Mikroelektronik
gibt es in Sachsen bereits die Kompetenzen, die erforderlichen neuen Konzepte
für eine ressourcenbewusste und zukunftsfähige Wirtschaftsweise durch digitale
Steuerungstechnik und robuste Anwendungen für Großanlagen einsatztauglich zu
machen.
Vertrauensvolle Kooperationenvon land- und forstwirtschaftlichen Erzeugern
einerseits und verarbeitender und recycelnder Wirtschaft andererseits sind eine
sinnvolle und notwendige Ergänzung zu marktbasierter Konkurrenz. Sie
ermöglichen, dass ehemalige Rest- und Abfallstoffe volkswirtschaftlich sinnvoll
und ökologisch nachhaltig genutzt werden können. Diesen Wandel werden wir GRÜNEN
durch eine Wende der gesamten Innovationspolitik, Gründungs-, Wachstums- und
Ansiedlungsförderung unterstützen. Wir wollen in Zusammenarbeit mit allen
betroffenen Akteuren regionale und lokale Übergänge zu nachhaltigem Wirtschaften
entwickeln. Dabei gilt unser besonderes Augenmerk dem sächsischen Handwerk, dem
Mittelstand und dem Dienstleistungssektor.
Wir wirtschaften für ein lebenswertes Sachsen, heute und in der Zukunft. Wir
GRÜNEN wollen aussteigen aus Umwelt- und Naturzerstörung, aus Verschwendung und
Abfallproduktion. Wir stehen für einen verantwortungsvollen Wandel gemeinsam mit
den Menschen und für die Menschen. Nur so erhalten wir die Entwicklungschancen
zukünftiger Generationen. Gesunde Nahrungsmittel, langlebige Konsumgüter,
attraktive Wohn(um)welten auf der Basis von produktiven und widerstandsfähigen
Naturräumen kennzeichnen den Wandel hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie.
Wirtschaft mit allen und für alle gestalten
Auch 30 Jahre nach ´89 benötigen wir weiterhin Anstrengungen, um unsere
Wirtschaftsstruktur breit und nachhaltig aufzustellen und damit gegen Krisen
abzusichern. Einige Großansiedlungen der letzten Jahre haben kurzfristig Impulse
für die betroffenen Regionen gebracht. Die Mittel zur Anwerbung solcher
Investitionen sind dann vernünftig ausgegeben, wenn sich Zuliefernetzwerke und
Synergien entwickeln lassen. Sie sind verloren, wenn Werke nach dem Auslaufen
von Förderung wieder schließen. Wir GRÜNEN setzen daher auf die Stärkung
regionaler Wirtschaftsnetze.
Innovationen kommen oft mit Neugründungen auf dem Markt. Viele gute Ideen werden
im Umfeld sächsischer Hochschulen und Universitäten entwickelt, durch
Experimente im Handwerksgewerbe und durch Kooperation mit Dienstleistern.
Kreativität und Design sind für einen Markterfolg teilweise ebenso wichtig wie
Material- oder Prozesskosten. Manchmal fehlt es nach Projekten der europäischen
und bundesdeutschen Forschungs- und Innovationsförderung am Erstkunden, der
einem marktreifen, innovativen Material, einem Prozess, einem Produkt oder einer
Dienstleistung Sichtbarkeit verleiht. Mit einer Reorientierung öffentlicher
Beschaffungspraxis auf Innovationen und Nachhaltigkeit wollen wir GRÜNEN hier
Hilfestellung leisten. Damit kann der Markteintritt insbesondere für biobasierte
oder rohstoff- und energiesparende Neuerungen beschleunigt werden. Zudem wollen
wir GRÜNEN Gründer*innen sowie ihre Netzwerke auch außerhalb der Großstädte
stärker unterstützen. Geeignete Räume für Vernetzung sind an einigen Orten auch
mit Zuschüssen etablierter Unternehmen entstanden, haben sich aus Initiativen
für Co-Working oder Sharing Economy entwickelt. Unser Ziel ist, dass diese
Netzwerke dichter werden. Sie sollen Gründer*innen dabei helfen, nützliche
Kontakte aufzubauen und Ideen wirtschaftlich tragfähig umzusetzen.
In den kommenden Jahren wird sich nicht nur der Fachkräftemangel verschärfen,
sondern viele Unternehmen werden aus Altersgründen von ihren bisherigen
Inhaber*innen nicht weiter geführt werden. Diese demografische Entwicklung hat
massive Auswirkungen auf Lebensqualität und Beschäftigungsstrukturen besonders
im ländlichen Raum. Daher wollen wir GRÜNEN hier Anstrengungen intensivieren und
u.a. in den Ausbau von Unternehmens- und Übernahmenetzwerken investieren.
Nachfolgeinteressierte Menschen wollen wir effektiv qualifizieren und mit
Coachings dabei unterstützen, die Unternehmer*innenlücke im Freistaat zu
reduzieren. Dazu müssen bereits vorhandene Förderstrukturen entbürokratisiert
und an die Bedarfe von Gründer*innen und Jungunternehmer*innen angepasst werden.
«Industrie 4.0» schafft mit der intelligenten Vernetzung von Maschinen und
Abläufen in der Industrie mit Hilfe von Informations- und
Kommunikationstechnologie ideale Voraussetzungen für eine flexible, an die
Bedürfnisse der Kund*innen angepasste Produktion. Damit die sächsische
Wirtschaft davon profitieren kann, sind große Investitions- und
Qualifizierungsanstrengungen in der privaten Wirtschaft und bei der öffentlichen
Hand notwendig. Digitalisierung kann darüber hinaus helfen, den Fachkräftemangel
des kommenden Jahrzehnts mittels Automatisierung abzuschwächen. Sie kann
außerdem auch Chancen für eine bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und
familiären oder ehrenamtlichen Aufgaben für Frauen und Männer eröffnen. Drittens
wird es im Wirtschafts- und Privatleben möglich, Wege zu sparen. Folglich
braucht Sachsen mehr Qualifizierung von Arbeitssuchenden (mit oder
Migrationshintergrund), Beschäftigen, Unternehmer*innen sowie eine modernisierte
Bildungsinfrastruktur, um den Herausforderungen des digitalen Zeitalters gerecht
zu werden. Wir GRÜNEN stehen für mehr Glasfaser, weniger Beton; mehr vernetzte
Mobilitätssysteme, weniger Straßenbau; mehr eGovernment, weniger
Verwaltungsgebäude; mehr Achtsamkeit für Schnittstellen zwischen öffentlichen
und privaten Investitionen.
Globalisierung als Chance für Sachsen – Transparenter Freihandel als Motor für
wirtschaftliche Entwicklung, Umweltschutz und soziale Sicherheit
Sachsen hat seit der Wiedervereinigung massiv von der Globalisierung profitiert
und konnte u.a. eine exportstarke Zuliefer-Industrie des Automobilbaus und der
Elektronikherstellung aufbauen. Fördergelder der EU haben zudem wichtige
Bereiche allgemeiner und beruflicher Bildung und eine Infrastruktur finanziert,
die Unternehmen und Forschungseinrichtungen in diesem Land in ternationale
Wettbewerbsfähigkeit ermöglicht. Es sind europäische Freihandelsabkommen, die
für sächsische Firmen Absatzhürden insbesondere bezüglich des europäischen
Auslands beseitigt haben. Inzwischen sind Sachsens Handelsbeziehungen nicht mehr
nur europäisch, sondern haben sich in den letzten Jahren vermehrt auf die ganze
Welt ausgedehnt.
Die Europäische Union hat bereits zahlreiche Handelsabkommen mit Partnern
weltweit geschlossen - auch zum Vorteil der sächsischen Wirtschaft. Dennoch
fehlt es gerade neueren Abkommen zu großen Teilen an dem, wofür wir GRÜNEN uns
seit jeher einsetzen: Transparenz und Umweltschutz. Die Öffentlichkeit hier und
in den Partnerländern muss Einblick in die Verhandlungen der EU mit
internationalen Handelspartnern haben und die Möglichkeit zur Mitsprache
bekommen. Die Bürger*innen müssen als interessierte Stimmberechtigte die
Möglichkeit haben, sich über den Inhalt der Verträge frühzeitig und umfassend zu
informieren. Manche Freihandelsabkommen wie das geplante TTIP schützen beinahe
ausschließlich die Interessen großer Firmen – doch Politik ist dazu da, die
Interessen aller wirtschaftlichen Akteure und damit aller Bürger*innen zu
vertreten. Wir GRÜNEN setzen uns dafür ein, dass es keine privaten
Schiedsgerichte gibt, die entscheiden, ob Investoren vom Staat entschädigt
werden müssen. Dafür sind öffentliche Institutionen, also ordentliche Gerichte,
zuständig.
Auch kann Freihandel kein Freibrief für Unternehmen sein, Sicherheits-, Sozial-
und Umweltstandards zu untergraben. Wir haben keine zweite Erde. Daher müssen
sich internationale Handelsabkommen neben dem wirtschaftlichen Nutzen besonders
auch durch ökologische Nachhaltigkeit auszeichnen. Umweltzerstörungen und
soziale Ausbeutung sind nicht zu akzeptieren, nicht in Sachsen und nicht in
anderen Ländern, mit denen wir Handel treiben. Wir GRÜNEN sind Vorreiter dafür,
die Grundpfeiler des europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzes in
Handelsabkommen zu verankern und im internationalen Handel als Norm festzulegen.
Bei fairem Freihandel gewinnen alle. Freihandel bedeutet aber auch Wettbewerb.
Das heißt, dass sächsische Produkte und Leistungen mit denen aus anderen
Erdteilen konkurrieren und daher konkurrenzfähig bleiben müssen. Wir GRÜNE
wollen umsteuern auf eine innovationsorientierte, umweltverträgliche
Wirtschaftspolitik mit dem Ziel maximaler Wertschöpfung bei minimalem
Ressourcenverbrauch. Wir stehen für Kooperation auf Augenhöhe mit Sachsens
Handelspartnern weltweit. Indem wir den Strukturwandel konstruktiv angehen,
geben wir Impulse für Erneuerung und zukunftsfähige Wettbewerbskraft. Wir wollen
innovative sächsische Unternehmens- und Gründernetze mit dem Ziel stärken, in
städtischen und ländlichen Gebieten Arbeitsplätze und Lebensqualität zu sichern
und zu verbessern. Weltweit wollen wir den Einsatz intelligenter, nachhaltiger
und umweltschonender Verfahren durch Kooperation und Dialog fördern – zum Nutzen
dieser und folgender Generationen.
Begründung
Dieser Text wurde von der (unlängst wiedererwachten) LAG Wirtschaft erarbeitet, um einen inhaltlichen Beitrag zur Vorbereitung der Landtags- und Kommunalwahlen im kommenden Jahr zu leisten. Es wurden die Themen aufgegriffen (biobasierte Wirtschaft, Strukturwandel, Außenwirtschaftsbeziehungen), die wir derzeit für die wichtigsten halten. Es ergeben sich klare Bezüge zu den GRÜNEN Positionen insb. bei den Themen Energie, Ökologie, Landwirtschaft und Europa. Wir hoffen auf eine konstruktive Diskussion :)
Änderungsanträge
- V5NEU-001 (Kerstin Wilde (Leipzig KV), Zurückgezogen)
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