Veranstaltung: | 49. Landesversammlung in Leipzig |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 14 Verschiedenes |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 03.09.2018, 13:28 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V8GNEU: GLOBALALTERNATIVE Klimaschutz in Sachsen – wir wollen endlich handeln!
Antragstext
Beim Klimaschutz ist es 5 nach 12. Wo gefährliche Kipppunkte für lawinenartige
Beschleunigung der Katastrophe liegen, lernt die Wissenschaft gerade erst in
fieberhafter Forschungsarbeit. Sehr klar ist hingegen bereits, dass deren
Überschreiten um jeden Preis vermieden werden muss. Deshalb gibt es keine
Treibhausgasemission mehr, die bis zu einer gewissen Schwelle unbedenklich wäre.
Jede vermeidbare Tonne ist eine Tonne zu viel. Auch Sachsen muss jetzt
unverzüglich handeln, um wirksame Beiträge zum Klimaschutz zu leisten. Denn das
gebietet die Verantwortung gegenüber denen, die nach uns kommen und gegenüber
dem gesamten Ökosystem unseres gemeinsamen Planeten.
Zugleich gilt es, die heutige Gesellschaft in all ihren Bereichen auf die
rasante Erderhitzung vorzubereiten, die durch bisheriges Versagen beim
Klimaschutz bereits losgetreten wurde und sie vor katastrophalen Folgen so gut
wie möglich und so gerecht wie möglich zu schützen. Das gebietet die
Verantwortung politischer Entscheidungsträger gegenüber der heutigen
Gesellschaft.
Gerechtes Handeln heißt in diesem Zusammenhang, dafür Sorge zu tragen, dass die
größten Verursacher dieser Gefahren und die größten Nutznießer bisherigen
Nichthandelns auch den größten Beitrag zu ihrer Eindämmung leisten.
Die Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschließt: wir von
Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen versprechen, dass wir überall, wo wir uns in
Legislative und Exekutive Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten erarbeiten,
vorbeugenden Klimaschutz und verantwortungsvolle Klimaanpassung zu bedeutenden
Zielen unseres Handels machen.
Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen versprechen: Vorbeugender Klimaschutz und
veratwortungsvolle Klimaanpassung sind un bleiben zentrale Handlungsmaximen vor
Ort und im Land, von denen wir uns nicht abbringen lassen.
Es geht dabei um nichts weniger als um die zivilisatorischen Existenzgrundlagen
und um ein Ökosystem, das diese ermöglicht.
Wir beschließen im Kapitel B ein Bündel von Maßnahmen in allen Bereichen, die
wir dazu anpacken, konkretisieren und umsetzen wollen.
Daraus benennen wir im Kapitel A die Maßnahmen, die in einem grünen Aktionsplan
sofort auf den Tisch gehören, denn hier sind die größten Verbesserungen zu
erreichen und damit muss unverzüglich begonnen werden.
A) Maßnahmen des Aktionsplans
1. Klimaschutz gesetzlich verankern: Sachsen braucht ein Klimaschutzgesetz.
Klimaschutz muss so schnell wie möglich Verfassungsziel werden! Als Etappenziel
wollen wir wie in anderen Bundesländern, wo Grün mitregiert, ein
Klimaschutzgesetz für Sachsen durchsetzen. Die grüne Landtagsfraktion hat einen
Gesetzentwurf vorgelegt. Auch in Sachsen soll es den Klimaschutz zum Grundsatz
der Raumordnung machen. An einem entschlossenen Ausbau Erneuerbarer Energien
geht kein Weg vorbei. Das Gesetz steuert den Freistaat auf einen verbindlichen
Treibhausgas-Reduktionspfad ein, der mindestens die nationalen Ziele anvisiert.
Die öffentliche Verwaltung soll als Vorbild dienen und bis 2030 klimaneutral
organisiert werden.
2. Sachsen muss als Bundesland seine Blockadehaltung bei Klimaschutz und
Energiewende aufgeben
Sachsen gehört als Bundesland endlich an die Seite derer, die im Bund und in der
EU Klimaschutz vorantreiben und eine wirksame CO2-Bepreisung als zentrales
Instrument durchsetzen wollen! Ein rechtsverbindlicher, nationaler
Kohleausstiegspfad liegt auch im sächsischen Interesse. Die bisherige
Blockadestrategie hat nur dazu geführt, dass Sachsen nun unvorbereitet in den
Kohleausstieg stolpert. Wir wollen, dass Sachsen hier mit einem
selbstbestimmten, klimaschutzgerechten Ausstiegsfahrplan eigene Vorschläge
bringt. Nur so kann Strukturwandelförderung rasch und zielgenau wirksam werden!
3. Klimaschutz und Klimawandelanpassung gehören umgehend in die Landes- und
Regionalplanungsprozesse
Die Fortschreibung von Landes- und Regionalplanung darf nicht länger auf
überholten Grundlagen aus dem Jahr 2012 aufbauen! Neue Tagebaue, Abbaufelder und
Kohlekraftwerke dürfen keine landesplanerischen Optionen mehr sein. Es versteht
sich von selbst, dass kein weiteres Dorf mehr der Kohle geopfert wird! Die
Perspektiven der Braunkohlenutzung in Sachsen sind auf den Auslauf- und
Abschlussbetrieb beschränken. Das sächsische Energie- und Klimaprogramm muss
sofort kompatibel mit nationalen Zielen weiterentwickelt und auf die Ziele des
Pariser Klimaschutzabkommens ausgerichtet werden!
4. Mit einem Landesprogramm für energetische Sanierungen soll der Einsatz
energiesparender Technologie beschleunigt werden.
Alte Ölheizungen müssen raus aus den sächsischen Kellern. Der Freistaat muss mit
einem Förderprogramm die Wärmewende voranbringen, Emissionen mindern und durch
Energieeinsparungen den Geldbeutel der Menschen schonen. Dabei setzen wir, wo
immer möglich, auf intelligente Fernwärmekonzepte, auf Wärme aus erneuerbaren
Quellen und Lösungen zur Sektorenkopplung. Es versteht sich von selbst – der
Kohleausstieg muss auch und zuerst überall dort stattfinden, wo heute noch
kommunale Wärmeversorgung an der Braunkohle hängt. Wir wollen die Kommunen bei
der Entwicklung zukunftsfähiger Lösungen unterstützen.
5. Wir wollen die Maut ausweiten und Schienengüterverkehr sowie Bus, Bahn und
Radverkehr stärken.
Die Stagnation der CO2-Emissionen seit 1990 machen den Verkehrssektor zum
klimapolitischen Sorgenkind. Nur mit einer entschlossenen Verkehrswende wird
sich hier eine Verbesserung erreichen lassen. Es braucht effektive Maßnahmen, um
mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Dazu muss auch die LKW-
Maut auf alle öffentlichen Straßen ausgeweitet werden. Hierzu muss ein
datenschutzfreundliches Mautsystem aufgebaut werden. Damit auch Bürgerinnen und
Bürger ihr Auto stehen lassen können, muss das Bus- und Bahn-Angebot sowie die
Radwege-Infrastruktur in allen Regionen Sachsens ausgebaut werden. Damit auch in
Sachsen die wünschenswerte öffentliche Förderung einer E-Mobilitäts-
Infrastruktur wirklich klimapolitisch sinnvoll wird, braucht der Freistaat einen
verbindlichen Ausstiegsfahrplan aus dem schmutzigen Kohlestrom!
6. Wir wollen den Waldumbau zu standortgerechten artenreichen Mischwäldern
konsequent vorantreiben.
Lange Hitzeperioden lassen die Gefahr von Waldbränden schnell steigen -
besonders in großflächigen Nadelholzmonokulturen. Die sächsischen Wälder
brauchen mehr Mischwaldbestand und Schutzstreifen, um größere Katastrophen durch
Waldbrände zu verhindern.
7. Wir wollen Landwirtinnen und Landwirte helfen, ihre Anbaustrategie
anzupassen. Kurzfristige Hilfen in Jahren mit Extremwetterlagen für in
Existenznot geratene Betriebe allein lösen keine Probleme der Strukturanpassung.
Gemeinsam mit den Landwirten sind Strategien zur Anpassung an die sich ändernden
klimatischen Herausforderungen zu entwickeln. Dazu gehört Beratung zum Anbau von
widerstandsfähigen Sorten, Mischfruchtanbau und Zwischenfruchtanbau. Außerdem
brauchen wir dringend mehr Struktur in der Landschaft durch die Anpflanzung von
Hecken und Bäumen. Dies kann die Abtragung von Böden (Bodenerosion) durch Wind
und Starkregenereignissen wirkungsvoll eindämmen.
8. Wir wollen mehr ökologischen Hochwasserschutz. Die Staatsregierung setzt fast
ausschließlich auf technischen Hochwasserschutz. Statt weiterer Deiche und
Polder braucht es mehr natürliche Überflutungsflächen. Mit der Reaktivierung von
Auen entlang der Flüsse, der Renaturierung begradigter Fließgewässer, der
Ausdehnung der Flächennutzung und Aufforstungen im Einzugsgebiet der Flüsse im
Freistaat kann auf ökologische und effektive Art vor Hochwasser geschützt
werden. So wollen wir es angehen, Ursachen von Hochwasser zu beseitigen, statt
nur Katastrophenbewältigung.
9. Ein Landesförderprogramm „Grüne Kommunen“ soll helfen, Maßnahmen zur
Abkühlung von Städten, für bessere Luft und Gesundheitsschutz umzusetzen. Durch
die Begrünung von Fassaden, Dächern und auf großen Betonflächen sollen bei
Stadtklima und Feinstaubbelastung Verbesserungen erreicht werden. Das
Förderprogramm kann dazu Anreize schaffen. Wir brauchen zudem dringend mehr
Bäume in der Nähe unserer Straßen, um eine bessere Sauerstoffproduktion zu
ermöglichen. Alte Bäume müssen wieder per Gesetz geschützt werden: weg mit dem
„Baum-ab“ – Gesetz! Wir wollen die Flächenversiegelung eindämmen. Wir wollen die
Einrichtung von Trinkbrunnen unterstützen. Das hilft den Menschen bei
Extremhitze und unterstützt die Vermeidung von Plastikmüll.
10. Wir wollen eine bessere Vorbereitung auf Extremwetterlagen. Insbesondere für
ältere Menschen und kleine Kinder brauchen wir im Freistaat Sachsen
Notfallpläne. Wir müssen schnell handlungsfähig sein, um ihnen zum Beispiel bei
starker Hitze helfen zu können. Weiterhin braucht es eine regelmäßige
Fortschreibung der Vorsorgeplanung zur Bewältigung von Extremwetterereignissen
und Großschadenslagen unter Berücksichtigung der veränderten
Wahrscheinlichkeiten und Bedingungen.
11. Wir wollen Wirtschaftsförderung und öffentliche Beschaffung an
Klimaschutzkriterien und volkswirtschaftlichen Gesamtkosten ausrichten
Die Steuerungswirkung von öffentlichen Fördermitteln muss verstärkt genutzt
werden, um Klimaschutz und Klimawandelanpassung in der Wirtschaft
voranzubringen. Entsprechende Kriterien gehören in die Förderrichtlinien. Das
gilt auch für Vergaben durch die öffentliche Hand. Wir wollen ein modernes
Vergaberecht und haben dazu einen grünen Vergabegesetzentwurf vorgelegt.
B) Erweiteres Maßnahmepaket in allen Bereichen
Energie/Wirtschaft/Klima
Sachsen braucht ein Klimaschutzgesetz, das verbindlich und längerfristig
den Zielpfad definiert und den Klimaschutz zum Grundsatz der Raumordnung
macht. Wir sehen das Klimaschutzgesetz als Etappe auf dem Weg zum
Klimaschutz als Verfassungsziel.
Vorbildrolle zur Klimaneutralität im Bereich der öffentlichen
Verwaltungen!
Mehr erneuerbare Energie in Sachsen - weg mit der Ausbaublockade!
Sachsen braucht jetzt die Fortschreibung des Energie- und Klimaprogramms mit
neuen Zielen für Treibhausgasminderung und für den Ausbau Erneuerbarer Energien,
die an Bundesziele ankoppeln und die Ziele von Paris ansteuern sowie die
umgehende Fortschreibung entsprechender Teilpläne im Regionalplanungsprozess.
Wir wollen die planerischen Perspektiven der Braunkohlenutzung in Sachsen
in der Fortschreibung von Landes- und Regionalplanung auf den Auslauf- und
Abschlussbetrieb beschränken. Neue Tagebaue, Abbaufelder und
Kohlekraftwerke sind landesplanerisch nicht mehr vorzusehen. Kein weiteres
Dorf darf mehr der Braunkohle zum Opfer fallen.
Klimaschutzgerechte und damit nachhaltige Förderung des regionalen
Strukturwandels – kein Geld für neue fossile Emissionspfade und für
weiteren Klimaschutzboykott!
Unterstützung für Kommunen und Stadtwerke bei der Aufstellung von
kommunalen Wärmenutzungsplänen als Grundlage für den Ausbau von
effizienter Fernwärmenetze mit Nutzung von Abwärmequellen und Einbindung
erneuerbarer Wärmeerzeuger!
Unterstützung für Kommunen und Stadtwerke beim Übergang zu einer
braunkohleunabhängigen kommunalen Wärmeversorgung!
Unterstützung für Kommunen und Stadtwerke bei der Umsetzung von Projekten
zur Sektorkopplung auf dem Weg zur konsequenten Dekarbonisierung!
Wir sehen die Bedeutung der Elektromobilität für Sachsen. Entschlossene
Innovation sichert dabei viele, zukunftsfähige Arbeitsplätze und
unterstützt die Sektorkopplung in der globalen Energiewende. Die
öffentliche Förderung einer Infrastruktur für die E-Mobilität in Sachsen
macht klimapolitisch aber nur Sinn, wenn der Ausstieg aus dem schmutzigen
Kohlestrom und ein weiterer Dekarbonisierungspfad verbindlich gemacht
werden.
Wir wollen ein Landesprogramm für die Beschleunigung der energetischen
Sanierung im Freistaat. Alte Ölheizungen müssen aus den Kellern, die
energetische Sanierungsquote muss deutlich steigen.
Sachsen braucht ein öffentliches Vergaberecht, das auch Ökologie,
Ressourceneffizienz und Klimaschutz als Kriterien berücksichtigt. Nur so
können Preise die volkswirtschaftliche und ökologische Wahrheit sagen.
Sachsen muss in allen Richtlinien für Förderprogramme Klimaschutz und
Nachhaltigkeit als Bewertungskriterien einführen.
Der Freistaat muss sich auf Bundesebene für Sofortmaßnahmen zur Schließung
der Umsetzungslücke bei den Klimazielen 2020 einsetzen. Die ältesten und
schmutzigsten Kohlekraftwerke müssen noch vor 2020 vom Netz. Die
angekündigten Sonderausschreibungsrunden für Erneuerbare Energien müssen
endlich beschlossen werden.
Sachsen muss sich auf Bundesebene für eine konsequente Verankerung Paris-
kompatibler Langfristziele in einem nationalen Klimaschutzgesetz
einsetzen.
Der Freistaat muss sich auf Bundes- und EU-Ebene für eine wirksame CO2-
Bepreisung als wichtigstes Instrument zur Emissionsminderung in allen
Sektoren einsetzen.
Sachsen muss sich auf Bundesebene für die Novellierung von Bergrecht und
Immissionsrecht mit dem Ziel einsetzen, die Genehmigungsfähigkeit von
Rahmenbetriebspläne für neue Tagebaue und Abbaufelder sowie für neue
Kohlekraftwerke auszuschließen, Grundabtretungsverfahren für die
Braunkohle abzuschaffen und eine Beweislastumkehr bei Bergschäden durch
Tagebaue einzuführen.
Der Freistaat muss sich auf Bundesebene für einen rechtsverbindlichen
nationalen Kohleausstiegsfahrplan einsetzen, der den CO2-Budgetansatz
konsequent umsetzt. Zur konkreten Umsetzung an den sächsischen Standorten
braucht Sachsen ein eigenes Konzept, das endlich langfristige Sicherheit
für die Umsetzung der Strukturwandelförderung in den Revieren schafft.
Umwelt, Natur und Landwirtschaft:
Systematisches Anlegen von Hecken und Baumstreifen zum Schutz der Böden
vor Erosion durch Wind und Starkregen
Industrielle Tierhaltung eindämmen! Nur so viel, wie der Boden ernähren
kann - auch bei Trockenheit
Waldumbau beschleunigen weg von Nadelholzmonokulturen hin zu
Mischwaldbeständen als Brandschutz und Baumartenanpassung an steigende
Temperaturen, Einrichtung von Schutzstreifen
Verbesserung und Ausweitung der Beratung und Forschung zum Einsatz
trockentoleranter Sorten in der Landwirtschaft
Großflächige Reaktivierung von Auen entlang der Flüsse, Renaturierung
begradigter Fließgewässer, Extensivierung der Flächennutzung und
Aufforstungen im Einzugsgebiet der Flüsse
Endlich umsetzen: Maßnahmen des ökologischen Hochwasserschutzes!
Renaturierung von Mooren
Anpassung in urbanen Bereichen: Grünere Städte
Mehr statt weniger Bäume! Das „Baum-ab-Gesetz“ muss endlich fallen.
Stadtbegrünung an Fassaden, auf Dächern, Straßen und Plätzen
Schaffung und Wahrung von Frischluftschneisen in den Städten
Landesförderprogramm „Grüne Kommunen“
Flächenneuversiegelung konsequent eindämmen und Brachflächen renaturieren
Überprüfung und Anpassung von kommunalen und regionalen
Hochwasserschutzkonzepten
Unterstützung für den Umbau von Stadtentwässerungssystemen für zunehmende
Extreme
Verkehr
Ausweitung der LKW-Maut auch auf Landes- und Kommunalen Straßen
Güter von der Straße auf die Schiene! Um Güterverkehr auf der Schiene und
der Straßen besser miteinander zu verknüpfen, müssen ausreichend
Zugangsstellen wie KV-Terminals, Güterverkehrszentren sowie private
Gleisanschlüsse geschaffen und eine Rollende Landstraße eingerichtet
werden.
konsequente Förderung und Ausbau des Bus- und Bahnangebots mit
garantierten Anschlüssen in allen Regionen Sachsens
Vorrang für Rad- und Fußverkehr: Nach Jahrzehnten der Maxime der
autogerechten Stadt muss der Straßenraum anhand der Bedürfnisse aller
Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer verteilt werden. Jede Fahrt mit
dem Fahrrad und jeder Weg zu Fuß verringert die Beeinträchtigungen, die
der Autoverkehr in den Innenstädten durch Parkraumbedarf, Parkplatzsuche,
Fahrzeuglärm, Abgase und Unfallpotenzial mit sich bringt.
Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von Tempo 50/30 hin zu Tempo 30
als Regelgeschwindigkeit und Tempo 50 als Ausnahme auf
Hauptverkehrsstraßen in geschlossenen Ortschaften
Förderung intelligenter Ladeinfrastruktur (öffentlich und privat) sowie
Vorbildrolle der öffentlichen Verwaltung beim Abschied vom
Verbrennungsmotor. Wir sehen jedoch bei allen Maßnahmen zur Förderung der
Elektromobilität in Sachsen eine wichtige Voraussetzung: ein verbindlicher
Ausstiegsplan aus der Kohleverstromung und eine klarer Pfad zur
Dekarbonisierung der Stromerzeugung. Eine Elektromobilität, die die
Emissionen lediglich vom Auspuff auf die Kraftwerkschlote in Lippendorf
und Boxberg verlagert, ist klimapolitisch sinnlos.
Gesundheits- und Bevölkerungsschutz
Mehr Vorsorge bei hitzebedingten Gesundheitsbelastungen insbesondere für
Risikogruppen
Notfallpläne insbesondere für ältere Menschen, Kinder und Kranke
Trinkbrunnen-Förderprogramm für Kommunen
Förderung von Klimatisierung und Verschattung in Schulen und
Kindertagesstätten, im Gesundheitswesen sowie Einrichtung von
Hitzeentlastungsräumen in besonders belasteten öffentlichen Bereichen
Fortbildung im Gesundheitsdienst
Hilfs- und Beratungsangebote in Stadtteilbüros, Seniorentagesstätten,
sozialen Diensten
Anpassung von Arbeitszeiten bei Extrembedingungen
Unterstützung von Aufklärung, arbeitsmedizinischer Vorsorge und
Schutzmaßnahmen für Beschäftigte in Außenbereichen
Vorsorge und Gegenmaßnahmen gegen Erreger und Erkrankungen, die bislang in
unseren Breiten nicht verbreitet waren
medizinische Kompetenzbildung
Verbesserung der Ausstattung der Lebensmittelkontrollbehörden
Vorsorgemaßnahmen gegen Schäden von zunehmenden Extremwetterereignissen
Aktualisierung regionaler Notfall- und Einsatzpläne nach aktuellen
Ereignissen
Einrichtung einer Landeszentralstelle zur Verbesserung der psychosozialen
Notfallversorgung bei Großschadenslagen
vollständige juristische Gleichstellung der ehrenamtlichen Helferinnen und
Helfer der Hilfsorganisationen gegenüber den Kameradinnen und Kameraden
der Feuerwehr
Förderprogramm für Investitionen zur Schaffung baulicher Infrastruktur zur
Unterbringung von Katastrophenschutzeinsatztechnik und Mannschaften
regelmäßige Fortschreibung der Vorsorgeplanung zur Bewältigung von
Extremwetterereignissen und Großschadenslagen unter Berücksichtigung der
veränderten Wahrscheinlichkeiten und Bedingungen
Finanzierung
Divestment aus allen Finanzanlagen, die noch immer von Gewinnen aus der
fossilen Wirtschaft und –Energiewirtschaft abhängen
Konsequente Nutzung der Gestaltungsmacht in Gremien und Organen zur
Umsteuerung in nachhaltige Investitionen und Beteiligungen
ab sofort Berücksichtigung von Klimaschutz- und Klimabildungs- und
Klimawandelanpassungsmaßnahmen in allen relevanten Einzelhaushalten
Einsatz des Freistaates auf Bundesebene für eine wirksame CO2-Bepreisung
zur verursachergerechten Finanzierung von Klimaschutz- und
Klimawandelanpassungsmaßnahmen
Einsatz des Freistaates auf Bundesebene für aufkommensneutrales,
klimaschutzgerechtes Umsteuern im Bereich der Energie- und
Emissionsbesteuerung
Begründung
Begründung:
Wo Sachsen heute steht und warum gerade wir das dringend ändern müssen:
Sachsen verweigert sich unter CDU-geführten Regierungen seit zwei Jahrzehnten beharrlich nationalen und internationalen Klimaschutzbestrebungen. Die SPD-Beteiligung an der derzeitigen Regierung hat zu neuen Absichtserklärungen geführt. Gehandelt hat auch diese Regierung nicht. Vier weitere Jahre wurden verloren.
Sachsen steht beim Klimaschutz mit leeren Händen da. Der Pro-Kopf-CO2-Ausstoß ist etwa ein Drittel höher als im Bundesdurchschnitt. Die Emissionen sind seit Ende der 1990iger Jahre sogar deutlich angestiegen. Für etwa zwei Drittel der gesamten sächsischen CO2-Emissionen ist die Braunkohleverstromung in den Großkraftwerken Boxberg und Lippendorf verantwortlich. Die wohlfeile Ausrede, Sachsen hätte mit dem Zusammenbruch der DDR bereits alle notwendigen Beiträge zum nationalen Klimaschutz geleistet, geht ins Leere. Auch vor der Wiedervereinigung war die CO2-Intensität der alten Bundesländer bereits viel niedriger als in der DDR. Diese Länder leisteten jahrzehntelang Solidarität bei der Abfederung des Strukturwandels und beim Aufbau einer modernen Infrastruktur in Sachsen. Jetzt ist es an uns, endlich auch eigene Anstrengungen zur Erreichung nationaler Klimaschutzziele zu unternehmen.
In diesem Jahr beträgt der Schaden in der Landwirtschaft durch extreme Trockenheit nach jüngsten Aussagen des zuständigen Staatsministers etwa 300 Mio. Euro. Sachsen ist auf Hilfe angewiesen.
Ganz ähnliche, stationäre Wetterlagen können wochenlang schier unglaubliche Wassermassen bei uns abladen. 2002 und 2013 haben gleich zwei solche „500-Jahre-Hochwasser“ innerhalb von nur 11 Jahren in Sachsen noch weit größere Schäden angerichtet, 2002 über 6 Milliarden Euro und 2013 etwa 2 Milliarden Euro. Sachsen brauchte und bekam auch dabei Hilfe.
Wir lange wird die nationale Hilfsbereitschaft anhalten, wenn sich der Freistaat zugleich hartnäckig jeder eigenen Mithilfe bei der nationalen Großaufgabe Klimaschutz verweigert? Wenn er sich nicht nur verweigert, sondern etwa durch Festklammern an der Braunkohle und Blockade der Energiewende sogar die gemeinsamen Anstrengungen der Anderen konterkariert? Sachsen sendet damit auch ein verhängnisvolles Signal der Entsolidarisierung, der Absage an Multilateralismus bei der Bewältigung der großen globalen Probleme nach außen und nach innen. Das ist Gift in einer Zeit, in der nationale Egoismen und Abschottung, in der Lüge und Konfrontation alles zu zerstören drohen, was die Weltgemeinschaft nach der furchtbaren Erfahrung grausamer Kriege an Strategien für ein Zusammenleben auf diesem einen Planeten über Jahrzehnte entwickelt hatte.
Für uns von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen geht deshalb das Thema Klimaschutz in seiner Bedeutung weit über eine Summe von Einzelmaßnahmen im Freistaat hinaus. Für uns geht es beim Thema Klima auch um ein Klima globaler Gerechtigkeit, um den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, um das Klima des Umgangs miteinander und mit Menschen, die zu uns kommen. Deshalb ist das ein so zentrales, ja geradezu identitätsprägendes Thema für uns.
Sachsen in der Klimakatastrophe: mittendrin und nicht nur dabei
Die galoppierenden Klimaveränderungen kennen keine Landesgrenzen. Sie kommen unübersehbar auch in Sachsen an und werden von vielen Menschen als bedrohlich empfunden. Es wachsen Fragen in diesen Tagen: Was machen wir, wenn die extreme Trockenheit, wenn die langanhaltende Hitze wirklich erst der Anfang ist? Wie können wir das stoppen? Bekomme ich Unterstützung, wenn ich von Extremwetterereignissen betroffen bin und an wen kann ich mich um Rat und Hilfe wenden?
Die Extremwetter der letzten Monate und Jahre brauchen nicht als Beleg für Existenz der rasanten Erderhitzung herzuhalten, denn diese ist längst wissenschaftlich belegt. Abschmelzende Polargebiete und Gletscher sowie ein ansteigender Meeresspiegel sprechen eine klare Sprache. Die Extremwetterereignisse sind vielmehr die Folge dieser sich anbahnenden Klimakatastrophe. Sie sind eine mess- und zunehmend fühlbare Konsequenz aus Veränderungen im globalen Klimasystem, die rasch Fahrt aufnehmen. Polargebiete heizen sich auf. Geringere Temperaturdifferenzen nehmen Strömungssystemen ihren Antrieb. Langzeitstabile Wetterlagen, die sowohl extreme Dürre als auch extreme Niederschläge bringen können, sind die Folge.
In Sachsen werden seit Jahren umfangreiche Klimadaten erhoben. Es existieren weit entwickelte Prognosen, wie sich bereits in diesem Jahrhundert das Klima hier bei uns deutlich verschiebt. Es gibt in Sachsen kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit.
Wir wollen endlich handeln:
Für uns von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist klar: aus dem Wissen um die potenziell katastrophalen Folgen und aus dem Wissen um die Ursachen erwächst unmittelbar Verantwortung zum Handeln. Dieses Handeln hat auf heute und auf morgen zu zielen.
Verantwortung für das Hier und Heute verlangt, die heutige Gesellschaft in all ihren Bereichen auf die Veränderungen bestmöglich vorzubereiten und sie vor deren katastrophalen Folgen so gut wie möglich und so gerecht wie möglich zu schützen. Gerechtes Handeln heißt in diesem Zusammenhang, dafür Sorge zu tragen, dass die größten Verursacher dieser Gefahren auch den größten Beitrag zu ihrer Eindämmung leisten.
Verantwortung für das Schicksal der nächsten Generationen verlangt von uns, alles in unserer Kraft stehende zu tun, die Ursachen dieser Bedrohung zu beseitigen. Hier gilt es heute für morgen zu handeln, und das sofort. Wo gefährliche Kipppunkte für selbstverstärkende Beschleunigung der Katastrophe liegen, ist nur ungenau bekannt. Klar ist aber, dass deren Überschreiten um jeden Preis vermieden werden muss. Deshalb gibt es keine sichere Treibhausgasemission, die bis zu einer gewissen Schwelle unbedenklich wäre. Jede vermeidbare Tonne ist eine Tonne zu viel.
Wir stehen nicht nur an Kipppunkten des Klimasystems. Wir haben damit auch die Zivilisation und die Ökosysteme unseres Planeten an Kipppunkte gebracht. Nie vor uns hatte eine Generation eine so entscheidende und so unaufschiebbare Verantwortung gegenüber allen, die nach uns kommen.
Es gibt keinerlei wissenschaftlichen Zweifel mehr, dass die menschgemachte Klimaerhitzung Extremwetterereignisse von Jahr zu Jahr wahrscheinlicher und vor allem gefährlicher macht.
Es gibt keinerlei wissenschaftlichen Zweifel, dass sofort gehandelt werden muss, um diese Entwicklung wenigstens zu bremsen und den Generationen nach uns wenigstens eine realistische Chance für ein Leben in einer stabilen Welt zu lassen.
Wir haben deshalb in diesem Antrag zusammengefasst, welche Einzelmaßnahmen wir in den verschiedensten Bereichen unserer Gesellschaft voranbringen werden, wo immer wir dazu Wege finden, Möglichkeiten haben und uns politische Gestaltungskraft erkämpfen. So schnell wie möglich und so konsequent wie möglich.
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