Antrag: | Sachsens Landwirtschaft unabhängig von Pestiziden machen. Glyphosat-Ausstieg jetzt! |
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Antragsteller*in: | LAG Ökologie (dort beschlossen am: 22.03.2018) |
Status: | Behandelt |
Eingereicht: | 23.03.2018, 14:20 |
L01-095-2: Sachsens Landwirtschaft unabhängig von Pestiziden machen. Glyphosat-Ausstieg jetzt!
Antragstext
Von Zeile 94 bis 95 einfügen:
Krebsforschung (IARC) der WHO, stuft Glyphosat als „wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen“ ein. Glyphosat ist mittlerweile in Europa in einem Großteil der Bevölkerung nachweisbar, in zahlreichen Nahrungsmitteln, in Baumrinden, in Gewässern und selbst in den jungen Schichten des antarktischen Eises. Niemand kann sich vor Glyphosat schützen. Hochproblematisch ist, dass es im Zulassungsverfahren für Agrochemikalien praktisch keine von der Industrie unabhängige Forschung gibt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich deshalb mit Nachdruck für die Einrichtung und die langfristige und verlässliche Finanzierung unabhängiger Forschung insbesondere zu den Auswirkungen von Agrochemikalien und von Gentechnik auf Mensch und Umwelt ein.
Erhalt der natürlichen Ressourcen
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen stehen für eine Landwirtschaft, die schonend
mit den natürlichen Ressourcen umgeht und sicherstellt, dass auch künftige
Generationen ihre Grundbedürfnisse der Ernährung mit den zur Verfügung stehenden
Ressourcen befriedigen können. Das gelingt dann am besten, wenn die
landwirtschaftlichen Betriebe im Einklang mit der Natur und nicht gegen diese
wirtschaften und sich die natürlichen Kreisläufe und deren Wechselwirkungen zu
Nutze machen.
Vor allem anderen ist der dauerhafte Erhalt des Bodens mit seinem Humusgehalt
grundlegend für die Zukunft unserer Landwirtschaft. Nur Böden mit hohem
Humusgehalt und der daraus folgenden hohen Fruchtbarkeit können zuverlässige
Erträge garantieren. Allein ein Gramm Boden enthält Milliarden von
Mikroorganismen. Unter einem Quadratmeter Boden leben Hunderttausende bis
Millionen von Bodentieren. Die Rolle, die diese Organismen für den Umsatz von
Nährstoffen, den Abbau von Schadstoffen und für die Humus- und Bodenbildung
spielen, ist hoch komplex. Ein lockeres Gefüge des Bodens ermöglicht die
Sauerstoffversorgung der angebauten Pflanzen direkt sowie die der im Boden
lebenden Nützlinge. Zudem ist diese wichtig für das Versickern von Niederschlag
auch bei Starkregen und um zugleich Bodenerosion zu vermindern.
Daher muss sich eine zukunftsfähige und in diesem Sinne nachhaltige
Landwirtschaft um den Schutz und den Erhalt des Bodens mit all seinen Funktionen
kümmern. Boden ist nicht beliebig ersetzbar!
Zu den natürlichen Ressourcen gehören neben dem Boden mit seinen komplexen
Lebensstrukturen auch die übrigen Tier- und Pflanzenarten der freien Landschaft
- also die Artenvielfalt bzw. Biodiversität hinsichtlich Anzahl der Arten
(Vielfalt) und Anzahl der jeweiligen Individuen (Biomasse). Auch hier steht
intensiv betriebene Landwirtschaft genau wie beim Boden für ein Wirtschaften,
das seine eigenen Grundlagen langfristig gefährdet. So ist die Landwirtschaft
vielfältig direkt abhängig von Nützlingen, insbesondere Insekten, etwa für
Bestäubung, Bodenlockerung und natürliche Schädlingsreduzierung. Ohne Insekten
ist nur noch eine Landwirtschaft möglich, die im wesentlichen Kohlenhydrat-
Produkte herstellt, die keine Bestäubung durch Tiere brauchen, sondern
windbestäubt sind. Ohne fliegende Insekten gibt es insbesondere kein Obst und
kein Gemüse. Ohne Insekten sinkt langfristig auch die Bodenfruchtbarkeit. Vor
diesem Hintergrund ist die Feststellung, dass wir gegenwärtig ein dramatisches
Insektensterben erleben, höchst alarmierend. Aktuelle Langzeitstudien stellen
für Deutschland einen Rückgang der Insektenbiomasse über die Dauer der letzten
27 Jahre um 70 bis 80 Prozent fest. Insekten sind zudem ein unersetzbares Glied
der Nahrungskette. Ohne Insekten können zahlreiche andere Arten nicht überleben,
die auch wiederum selbst als Teil der Nahrungskette Lebensgrundlage für weitere
Arten sind. Nach Aussagen des Naturschutzbundes Deutschlands (NABU) verschwanden
seit 1980 in ganz Europa 300 Millionen Brutpaare aller Wiesenvögel aus
landwirtschaftlichen Flächen. Das ist ein Rückgang um über 50 Prozent. Besonders
bei insektenfressenden Vogelarten geht der Trend seit Jahren nach unten. In
Deutschland sind laut NABU zwischen 1998 und 2009 12,7 Millionen Vogelbrutpaare
verschiedener Arten verschwunden. Wenn die Entwicklung so anhält, droht mehreren
Arten in absehbarer Zeit das völlige Aussterben. Als wichtigste Ursachen für das
Sterben von Insekten und Vögeln wird die konventionelle Landwirtschaft benannt.
Diskutierte Wirkpfade sind die konsequente Ausräumung der Agrarlandschaft im
Verlauf der letzten Jahrzehnte von vormals vorhandenen Lebensraum bietenden
Strukturen wie Hecken, Bäumen, Gehölzen, Feldrändern und Wegen mit ihren grünen
Rändern. Auf den ausgeräumten Flächen selbst werden immer weniger Kulturen,
immer großflächiger mit immer weniger Fruchtwechseln angebaut und alles andere
Leben - ob Bei- bzw. Unkräuter, Insekten oder Kleinsäuger flächendeckend mit
entsprechenden Pestiziden abgetötet. Intensive Landwirtschaft, so wie sie heute
auch in Sachsen auf dem Großteil der Landwirtschaftsflächen betrieben wird,
steht damit ganz offensichtlich nicht mehr im Einklang mit dem Erhalt der Natur
und der historisch gewachsenen Landschaft.
Glyphosatausstieg jetzt!
Trotz dieser bekannten negativen Folgen ist der massive, flächendeckende und
dauerhafte Einsatz von Pestiziden gängige Praxis in der konventionellen
Landwirtschaft. Einem Mittel kommt dabei besondere Bedeutung zu: Glyphosat.
Glyphosat hat sich im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte zum weltweit am
häufigsten verkauften Herbizid entwickelt. 800.000 Tonnen Produktionsmenge
jährlich entsprechen einem Drittel aller Pflanzenschutzmittel weltweit. In
Deutschland werden in der Landwirtschaft jährlich zwischen 5.000 und 6.000
Tonnen auf rund 40 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt.
Glyphosat wirkt nicht-selektiv gegen Pflanzen. Dies bedeutet, dass alle damit
behandelten Pflanzen absterben. Eingesetzt wird dieses Mittel, um Felder
vollständig frei von (aus Sicht der Landwirte) Unkräutern zu bekommen. Im Obst-
und Weinanbau verhindert es auch den Aufwuchs von Sträuchern. Die Anwendung ist
vergleichsweise einfach und kann zugleich die aufwendige Arbeit mit dem Pflug
ersetzen. Viele Betriebe haben deshalb ihre Bodenbearbeitung in den vergangenen
Jahren so umgestellt, dass ein Pflügen nicht mehr erfolgt. Entsprechende Technik
wurde abgeschafft und wird daher nicht mehr vorgehalten. Hier muss ein Umdenken
erfolgen!
Glyphosat ist zugleich eines der umstrittensten Pflanzenschutzmittel. Es wird
direkt in den Boden appliziert und gelangt durch Auswaschung anschließend auch
in Gewässersysteme. Das Umweltbundesamt hat erhebliche negative Auswirkungen von
Pestiziden im Allgemeinen und von Glyphosat im Speziellen auf die biologische
Vielfalt festgestellt. Durch das Entfernen von Wildkräutern und Beipflanzen
werden Ernährungsgrundlagen und Lebensräume für zahlreiche Lebewesen
eingeschränkt, vernichtet und Ökosysteme dauerhaft geschädigt. Deshalb geht ein
langfristiger Biodiversitätsverlust insbesondere von Insekten und Vögeln mit der
Anwendung von Glyphosat einher. Das Totalherbizid hat negative Auswirkungen auf
„Nichtzielarten“, und zwar nicht nur Pflanzen, sondern auch Tiere. Die
Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hat hohe langfristige Risiken
für pflanzenfressende Säugetiere (z.B. Nutztiere wie Kühe und Schafe) sowie
wildlebende Tierarten (z.B. Vögel und Maulwürfe) festgestellt. Eine weitere
Studie hat festgestellt, dass Glyphosat die Aktivität und Reproduktion der für
die Bodenfruchtbarkeit unverzichtbaren heimischen Regenwürmer hemmt.
Nicht zuletzt sprechen immer mehr Anzeichen dafür, dass Glyphosat auch für den
menschlichen Organismus schädlich ist. Die Internationale Agentur für
Krebsforschung (IARC) der WHO, stuft Glyphosat als „wahrscheinlich
krebserzeugend beim Menschen“ ein. Glyphosat ist mittlerweile in Europa in einem Großteil der Bevölkerung nachweisbar, in zahlreichen Nahrungsmitteln, in Baumrinden, in Gewässern und selbst in den jungen Schichten des antarktischen Eises. Niemand kann sich vor Glyphosat schützen. Hochproblematisch ist, dass es im Zulassungsverfahren für Agrochemikalien praktisch keine von der Industrie unabhängige Forschung gibt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich deshalb mit Nachdruck für die Einrichtung und die langfristige und verlässliche Finanzierung unabhängiger Forschung insbesondere zu den Auswirkungen von Agrochemikalien und von Gentechnik auf Mensch und Umwelt ein.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen setzen sich deshalb dafür ein, dass die
Anwendung von Glyphosat umgehend beendet wird. Damit diese Umstellung für die
sächsischen Landwirtschaftsbetriebe so gut als möglich gelingen kann, sind diese
dabei umfassend zu unterstützen. Je besser der Ausstieg aus dem Glyphosat dabei
geplant und je eher und umfassender er angegangen wird, desto geringer sind
mögliche negative Folgen für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe.
Die Organisation von Betriebsabläufen sowie die dazu passenden Investitionen in
Technik erfolgen in den Betrieben mit langfristiger Perspektive. Grundlegende
Veränderungen gelingen daher umso besser, desto langfristiger sie angegangen
werden. Den Ausstieg aus Glyphosat nicht ab sofort aktiv anzugehen, wäre
unverantwortlich und für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe absehbar mit
vermeidbaren betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden und das in einer
Zeit, in der etwa wiederkehrende Preiskrisen diesen Wirtschaftsbereich sowieso
stark unter Druck setzen. Außerdem würden aber die mit einem gut geplanten und
umgesetzten Ausstieg verbundenen Chancen für langfristig nachhaltigere
Strukturen verzögert oder verpasst. Gegenüber anderen europäischen Regionen und
deutschen Bundesländern, die den Ausstieg gemeinsam mit den Landwirten jetzt
aktiv angehen, würde Sachsen erhebliche und kaum wieder aufholbare
Standortnachteile entwickeln. Jetzt geht es nicht mehr darum, ob man den
Ausstieg aus Glyphosat aus eigener Einsicht will oder nicht, sondern nur noch,
ob man ihn aktiv gestaltet oder davon überrollt wird.
Mit dem Verbot von Glyphosat sind daher für zahlreiche Betriebe erhebliche
Auswirkungen auf deren gesamtes, auf langjährige Perspektiven und Zyklen
ausgerichtetes Betriebssystem verbunden und gleichermaßen auch zum Teil
erhebliche Kosten. Zugleich ist festzuhalten, dass die Umstellung auf
Bodenbearbeitung ohne Pflug bis vor wenigen Jahren noch staatlich gefördert
wurde und auch der Einsatz von Glyphosat staatlich nicht nur genehmigt, sondern
auch durch die Behörden im Rahmen der guten fachlichen Praxis angesehen und
befürwortet worden ist. Daher dürfen Landwirtschaftsbetriebe berechtigt darauf
vertrauen, dass eine nunmehrige Änderung dieses im Wesentlichen erst in den
letzten beiden Jahrzehnten eingeführten Systems nun nicht von den
Landwirtschaftsbetrieben allein geleistet werden darf. Geänderte
gesellschaftliche Anforderungen an die Landwirtschaft sollen auch als
gesamtgesellschaftliche Aufgabe aufgefasst und deshalb die Betriebe bei ihrer
Umstellung unterstützt werden.
Sachsens Landwirtschaft insgesamt unabhängig von Pestiziden machen
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen setzen sich dafür ein, dass der Ausstieg aus
dem Einsatz von Glyphosat, das gegenwärtig noch integraler Bestandteil der
Flächenbewirtschaftung einer Vielzahl der Betriebe ist, dafür genutzt wird, die
Landwirtschaft durch eine generelle Pestizidreduktionsstrategie unabhängiger von
Produkten der Agrochemie zu machen.
Seitens der bisherigen Befürworter einer Verlängerung des Einsatzes von
Glyphosat wird vorgebracht, dass es zurzeit kein chemisches Mittel gäbe, das für
den Landwirt so effektiv sei wie Glyphosat. Entweder seien denkbare Ersatzstoffe
toxischer oder unwirksamer oder beides und zudem in der Regel auch teurer.
Außerdem sei die Entwicklung neuer Wirkstoffe durch aufwendige und damit
verbunden äußerst langjähriger und teurer Zulassungsverfahren kaum noch möglich.
Nicht nur deshalb kann der unabwendbare Ausstieg aus Glyphosat nicht mit der
Zielsetzung erfolgen, dieses Mittel wegen seiner sich immer deutlicher
abzeichnenden negativen Nebenwirkungen einfach durch ein oder mehrere andere
oder neue chemische Substanzen zu ersetzen. Vielmehr ist eine strukturelle
Abkehr von der in den letzten Jahrzehnten entstandenen Abhängigkeit weiter
Bereiche der Landwirtschaft von der Agrochemie dringend erforderlich.
Langjährig verwendete Mittel haben aufgrund natürlicher Ausleseprozesse über die
Jahre ihres Einsatzes stets und unausweichlich eine abnehmende Wirkung, weshalb
sie in immer größerer Menge eingesetzt werden müssen. Deutschlandweit erhöhte
sich der Inlandsabsatz an Wirkstoffen in Pflanzenschutzmitteln laut dem
Statistischen Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten seit 1993 von
28.930 Tonnen auf 48.611 Tonnen im Jahr 2016. Ebenfalls bilden sich mit der Zeit
immer mehr Resistenzen, weshalb auch eine Steigerung der Wirkstoffmengen
irgendwann an ein natürliches Ende gelangt. Zugleich zeigen sich regelmäßig erst
nach langjährigem und großflächigem Einsatz der einzelnen, in dieser Form in der
Natur jeweils nicht natürlich vorkommenden chemischen Wirkstoffe deren
ungewollte schädigenden Wirkungen auf Boden, Pflanzen, Tiere und Mensch. Dadurch
findet der Einsatz jeder Chemikalie früher oder später ein Ende. Entweder wird
der Einsatz wegen Wirkungslosigkeit beendet oder aufgrund bestehender Gesetze
und gesellschaftlichen Drucks wird der Einsatz rechtlich immer weiter
eingeschränkt, um schließlich ganz verboten zu werden. Die Geschichte der
Agrochemie zeigt die Gültigkeit dieser Regel für ausnahmslos alle bisher auf den
Markt gebrachten Wirkstoffe. Erinnert seien beispielsweise an das jahrzehntelang
weltweit meistverwendete Insektizid DDT, das heute verboten ist, weil es nicht
nur die Schalen von Vogeleiern schädigt, sondern zu erheblichen Krebsrisiken für
den Menschen führt; das Insektizid Dieldrin, das zu einem regelrechten Fisch-
und Vogelsterben sowie zu Todesfällen bei Nutztieren und Hausgeflügel führte und
deshalb verboten wurde oder das zur Behandlung von Entzündungen und Schmerzen
bei Rindern eingesetzte Diclofenac.
Gegenwärtig finden Landwirte immer mühsamer Mittel, die überhaupt noch zum
Einsatz zur Verfügung stehen etwa gegen Pflanzenschädlinge oder Insekten, die
Mais oder Raps schädigen, weil Pflanzen und Insekten durch den massenhaften und
dauerhaften Einsatz von Agrarchemikalien gegen die marktgängigen Produkte der
Chemiekonzerne Resistenzen herausgebildet haben. So gibt es etwa gegen das
resistente Gras Ackerfuchsschwanz keine chemischen Herbizide mehr, die sicher
wirken. Der Ackerfuchsschwanz hat diese Resistenzen gegen die bislang sicher
wirksamen Herbizide Atlantis (von Bayer), Caliban (Cheminova), Broadway (Dow
Agro), Traxos und Axial (beide Syngenta) erst neuerdings entwickelt. Dabei ist
der Ackerfuchsschwanz nur ein Beispiel von immer mehr erst neuerdings
multiresistenten Wildkräutern. Diese gewöhnen sich schlicht an die chemischen
Wirkstoffe und scheiden sie wieder aus, anstatt daran zugrunde zu gehen. Man
geht davon aus, dass die Ursache darin liegt, dass die Landwirtschaftsbetriebe
oft nicht mehr pflügen, sondern stattdessen ihre Felder vor der Aussaat mit
Glyphosat bereinigen und später standardmäßig selektive Herbizide gegen die
Gräser einsetzen. Genauso mehren sich die Meldungen zu resistenten schädlichen
Insekten, wie u.a. Rapsglanzkäfer, Kohlschotenrüssler, Rapserdfloh und mehrere
Blütenschädlinge. Vergleichbar ist das mit der Situation in der Medizin, in der
wegen des breiten Einsatzes von Antibiotika die Gefahr absehbar wird, dass keine
Wirkstoffe mehr für konkrete Bedarfsfälle zur Verfügung stehen.
Dazu kommen die Folgen des langjährigen, kontinuierlichen und in weiten
Bereichen flächendeckenden Einsatzes erheblicher Mengen chemischer Einsatzstoffe
auf Feldern und in Plantagen, also in der freien Landschaft für die Umwelt,
namentlich Boden und Bodenorganismen, Wasser, Natur (wilde Tiere und Pflanzen),
Nutztiere sowie die menschliche Gesundheit. Vor diesem Hintergrund ist jedes
Gramm Wirkstoff, das weniger eingesetzt wird, ein absoluter Gewinn.
Nicht zuletzt stehen weite Bereiche der Landwirtschaft vor dem Problem, dass sie
sich in den letzten Jahrzehnten in eine völlige Abhängigkeit von der Agrochemie
begeben haben. Die berechtigten Klagen, dass vom Endverkaufspreis
landwirtschaftlicher Produkte gerade beim Landwirt nur ein kleiner Bruchteil
ankommt, stehen auch im Zusammenhang mit dieser Abhängigkeit. Der Weltmarkt
allein für Pflanzenschutzmittel (also ohne chemische Düngemittel) betrug im Jahr
2014 42,7 Mrd. Euro. Der Umsatz in Deutschland lag bei 1,6 Mrd. Euro. Zur Zeit
werden pro Jahr deutschlandweit über 48.000 Tonnen Wirkstoffe verkauft.
Schon angesichts aktuell fehlender chemischer Alternativen zum Glyphosat steht
ein Ersatz dieses Stoffes unter Beibehaltung der gegenwärtigen
glyphosatbasierten Bodenbearbeitung nicht zur Debatte. Weder ist in der Chemie-
Forschung eine Alternative absehbar, noch ist die Suche danach überhaupt
sinnvoll. Das System einer auf dem breiten standardmäßigen Einsatz von
Agrochemie basierenden Landwirtschaft ist bereits heute deutlich erkennbar an
sein Ende gelangt.
Es ist daher zwingend erforderlich, die landwirtschaftliche Praxis grundsätzlich
weiter zu entwickeln. Eine Abkehr vom derzeitigen Landwirtschaftsmodell, das
durch die Abhängigkeit und den übermäßigen Einsatz von Pestiziden gekennzeichnet
ist, ist unabweisbar – im Interesse der Landwirtschaft selbst, der Gesellschaft
insgesamt und der Umwelt. Die Folgekosten für Umweltschäden an Wasser, Boden,
Fauna und Flora können nicht mehr hingenommen werden. Längst sind der
Insektenschwund, der Rückgang der Brutvögel und die ausgeräumte Landschaft in
die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Es besteht die absolute Notwendigkeit des
Übergangs zu einer nachhaltigen Erzeugung von Lebensmitteln, die den
nachhaltigen Schutz und die nachhaltige Ernährung von Nutzpflanzenkulturen
beinhaltet. Die Zukunft der Ernährung und einer gesunden Umwelt liegt darin, mit
der Natur und ihren natürlichen Prozessen zu arbeiten und nicht gegen sie. Die
Forderung an die Landwirtschaft besteht nicht nur in einer ausreichenden
Erzeugung von Lebensmitteln, sondern auch in der Erzeugung von qualitativ
hochwertigen Lebensmitteln. Eine Belastung der landwirtschaftlichen Produkte mit
Pestiziden ist darunter nicht zu verstehen. Die Forderung nach einer
Pestizidreduktionsstrategie ist gleichzeitig der Schutz der Landwirtinnen und
Landwirte selbst als Anwenderinnen und Anwender sowie der Verbraucherinnen und
Verbraucher. Landwirtschaft muss sich neben der Erzeugung von Produkten als
größter Flächennutzer wesentlich wieder auf den Erhalt von gesunden Böden und
die Funktionen des Ökosystems konzentrieren, auch um im unmittelbaren eigenen
Interesse Nutzpflanzen zu schützen, zu pflegen und mit Nährstoffen zu versorgen.
Es geht heute darum, die Abhängigkeit der Landwirtschaftsbetriebe von zunehmend
kostspieligen Produktionsmitteln zu reduzieren, damit sie wieder unabhängig von
Renditeinteressen der Agrarchemiekonzerne agieren können. Eine zukunftsfähige
Landwirtschaft bedeutet die konsequente Abkehr eines immer weiter steigenden
Einsatzes oder des aufeinander folgenden Wechsels von Pestiziden. Vorbild und
Leitbild ist dabei die ökologische Landwirtschaft. Die Landwirtschaft insgesamt
muss sich deutlich in diese Richtung entwickeln.
Damit das möglich wird, setzt sich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in Sachsen
insbesondere für folgende Forderungen ein, die konsequent umzusetzen sind:
1. Für die Unkrautregulierung ist die Nutzung von nicht-chemischen Techniken,
die die Anwendung von Herbiziden minimieren bzw. unnötig machen, zu forcieren
und damit langfristig eine Abkehr vom prophylaktischen Herbizideinsatz sowie vom
Herbizideinsatz als generelle Methode zur Unkrautbekämpfung zu erreichen.
Untersuchungen zeigen, dass Unkrautbewuchs sich nur unter bestimmten
Voraussetzungen auf die Erträge auswirkt, dass Nutzpflanzenkulturen kein
gänzlich unkrautfreies Feld benötigen und dass im Gegenteil viele Wildpflanzen
anderen Nützlingsarten, die die Kulturpflanzen vor möglichen Schädlingen
schützen, ein Mikrohabitat bieten. Eine unerwünscht starke Konkurrenz durch
Unkrautpflanzen lässt sich durch eine Reihe von Techniken verhindern, die in
verschiedenen Anbausystemen bereits erfolgreich angewandt werden. Diese Methoden
haben sich als mindestens genauso kosteneffizient erwiesen wie etwa der Einsatz
des Totalherbizids Glyphosat. Sie haben jedoch nicht die negativen Auswirkungen
auf die Biodiversität wie eine Anwendung von Pestiziden über einen längeren
Zeitraum. Als Alternative zum Einsatz von einer großen Chemiekeule – wie
Glyphosat – haben sich in der Unkrautkontrolle die so genannten „vielen kleinen
Hämmer“ bewährt. Alternative Methoden der Unkrautregulierung bestehen aus einer
Kombination von mechanischen, physikalischen und biologischen Verfahren, wie zum
Beispiel:
- geeignete Fruchtfolgen einschließlich
- gezielter Zwischenfruchtanbau zur Regulierung von mehrjährigen und
Wurzelunkräutern
- Bodenbedeckung durch Mulch oder Gründüngung
- Fruchtwechsel von unkrautanfälligen Kulturen und Kulturen, die es
ermöglichen, Unkräuter zu kontrollieren, bevor sie Samen produzieren
- Wechsel zwischen Winterungen und Sommerungen
- Unkrautkontrolle im Saatbett: Vorbereitung des Saatbetts vor der Aussaat
bzw. Anpflanzung der Kulturpflanzen durch Unkrautkuren in Kombination mit
mechanischer Unkrautbekämpfung
- Mulchen, um das Aufkeimen von Unkraut zu unterdrücken
- kahle Böden bei Anpflanzungen vermeiden, zum Beispiel durch den Anbau von
Mischkulturen, Zwischenkulturen oder Untersaaten, die vor der Hauptfrucht
aufwachsen
- flaches Pflügen, um Gemeinschaften von Bodenlebewesen und Bodenstrukturen
zu erhalten, und um zu vermeiden, dass Unkrautsamen aus dem Samenvorrat im
Erdreich hoch geholt werden
- bei größeren Kulturpflanzen: Einsatz von Rollhacken zwischen den Reihen
und in den Reihen später in der Saison
- thermische Behandlung mit Wasserdampf oder Abflammgeräte/Heizplatte
2. Das Prinzip des integrierten Pflanzenschutzes ist endlich konsequent als
Standard in der landwirtschaftlichen Praxis durchzusetzen: Kaskadenprinzip,
Chemikalien nur als letztes Mittel und Nützlinge ihre Arbeit tun lassen.
Das Konzept des integrierten Pflanzenschutzes (Integrated Pest Management - IPM)
nutzt die Schädlingsregulierung durch das Vorkommen von Schädlingsräuberarten.
Durch eine hohe biologische Vielfalt, die Vermeidung von Monokulturen und eine
Vielfalt an Habitatstrukturen können Probleme auf natürliche Weise verhindert
werden. Der Einsatz von chemischen Mitteln verhindert diese Wirkung. Die
Schädlingsregulierung durch den Einsatz von chemischen Mitteln soll deshalb erst
als letztes erfolgen. Dieser minimierte Einsatz schützt außerdem vor
Resistenzbildung bei Schädlingen.
Der Integrierte Pflanzenschutz ist als Konzept bereits in den EU-
Rechtsvorschriften (Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und Richtlinie 2009/128/EG)
verankert und wird durch diese gefördert. Es reicht allerdings nicht aus, das
Konzept bloß zu fördern. Die Implementierung der Verfahren des integrierten
Pflanzenschutzes erfolgt nur lückenhaft und muss verbindlich vorgeschrieben
werden. Viele Methoden der Schädlingsregulierung durch integrierten
Pflanzenschutz sind maßgeblich auf die biologische Vielfalt angewiesen,
insbesondere auf die im Boden und im jeweiligen Agrarökosystem lebenden
nützlichen Schädlingsräuberarten. Die prophylaktische Anwendung von Glyphosat
und anderen Pestiziden (gegen Unkräuter, die sich gar nicht auf die Erträge
auswirken würden oder gegen Schädlinge, die noch nicht einmal zu sehen sind),
und insbesondere die Anwendung dieser Chemikalien als Wirkstoff zur
Abreifebeschleunigung und Austrocknung der Kulturpflanzen (nur noch in
Ausnahmefällen), ziehen gravierende Kollateralschäden für die Biodiversität nach
sich. Sie behindern die Wirksamkeit der auf Biodiversität angewiesenen
natürlichen Abwehrmechanismen. Sie verhindern sogar, dass diese überhaupt eine
Chance bekommen, wirksam zu werden und damit den Bedarf an Pestiziden zu
reduzieren. Das wahllose Abtöten aller Unkräuter/Wildblumen bewirkt zudem, dass
das ganze Jahr über weniger Nahrung für Bienen und andere wilde Bestäuber zur
Verfügung steht. In dem kurzen Zeitfenster, in dem Kulturpflanzen, die auf die
Bestäubung durch Insekten angewiesen sind, in die Blüte kommen, erfolgt
infolgedessen eine weit weniger wirksame Bestäubung der Kulturen, was wiederum
zu einem Rückgang der Erträge führen kann. Nach dem gleichen Prinzip lassen sich
umgekehrt Schädlingsausbrüche erfolgreich eindämmen, indem man die Verfügbarkeit
von Futter für deren natürlichen Feinde, die Schädlingsräuber, erhöht, zum
Beispiel indem man zusammen mit dem Getreide Wildblumen aussät. Deshalb ist hier
nach dem Kaskadenmodell vorzugehen und es sind zuerst alle verfügbaren
physikalischen, mechanischen und biologischen Alternativen auszuschöpfen und
Pestizide nur in letzter Instanz einzusetzen, wenn alle vorbeugenden Maßnahmen,
wie die Steigerung der strukturellen und biologischen Diversität, die
Risikostreuung und das Vermeiden von Monokulturen nicht ausreichend greifen. Das
trägt auch dazu bei, das Problem der Resistenzen zu lösen und verringert die
Notwendigkeit, in einem kostspieligen evolutionären Rüstungswettlauf immer
wieder neue Chemikalien zu entwickeln.
3. Der Bodenschutz ist mit Hilfe von Bodenorganismen und einer positiven
Humusbilanz mit der Anwendung von weiten Fruchtfolgen, Untersaaten und
Zwischenfruchtanbau zu sichern.
Der dauerhafte Erhalt strukturreicher Böden ist die Grundlage jeder
landwirtschaftlicher Nutzung. Bei einseitigen Fruchtfolgen geht die
Aggregatstabilität, die Infiltrationsrate und die mikrobielle Biomasse zurück.
Weite Fruchtfolgen, ganzjährig bedeckter Boden und eine hohe Masse an
Bodentieren garantieren auch sehr langfristig zuverlässige Erträge.
4. Der Erhalt und die Wiederherstellung der Ökosystemfunktionen von
landwirtschaftlich genutzten Flächen und des Landschaftsbildes für die
Gesellschaft und auch zum Nutzen der landwirtschaftlichen Praxis und deren
gesellschaftlichen Akzeptanz ist deutlich in den Fokus als anzustrebendes Ziel
zu rücken.
Bei einer Pestizidreduktion wird die Biodiversität auf den Feldern und
angrenzenden Flächen gefördert. Damit wird dem Verlust der biologischen Vielfalt
entgegengewirkt und der Schutz von Ökosystemen gewährleistet. Durch die
tiefgründige Wiederbelebung der Böden wird dem Klimawandel Rechnung getragen,
indem Überschwemmungen durch eine höhere Wasserspeicherkapazität abgemildert und
Trockenperioden durch tief wurzelnde, abwehrkräftigere Pflanzen überstanden
werden können.
5. Der Einsatz von Breitbandherbiziden ist zugunsten selektiv wirkender Mittel
deutlich zu reduzieren.
Der Einsatz von Breitbandherbiziden wie dem Totalherbizid Glyphosat führt dazu,
dass sämtliche Pflanzen auf der Fläche oder zumindest eine Vielzahl abgetötet
werden, obwohl mögliche Schadwirkungen aber nur von bestimmten Pflanzen
(Unkräutern) ausgehen. Deshalb ist es auch nach dem Grundgedanken etwa des
integrierten Pflanzenschutzes, sich auf den minimalen, tatsächlich
erforderlichen Einsatz von Mitteln und Wirkungen zu beschränken zwingend, sich
im Bedarfsfall auf zielgenau wirkende, also selektive Mittel zu beschränken.
6. Der Einsatz von Pflanzenschutz- und Behandlungsmitteln ist auf Tageszeiten zu
beschränken, in der Bienen und andere bestäubende Insekten nicht oder kaum auf
diesen Flächen angetroffen werden.
Zahlreiche Pestizide und insbesondere Neonicotinoide haben umfangreiche negative
Auswirkungen auf Bienen und andere bestäubende Insekten. Sie tragen insbesondere
zum grassierenden Bienensterben bei. Da Bienen und Insekten nur zu bestimmten
Tageszeiten aktiv sind, muss in jedem Fall vermieden werden, dass Mittel während
ihrer Flugzeit oder einer Nahrungsaufnahme auf den betreffenden Pflanzen
ausgebracht werden und so die Tiere direkt damit in Kontakt kommen.
7. Der Anteil des Ökolandbaus an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Sachsen
ist kontinuierlich zu steigern, um bis spätestens 2030 mindestens 20 Prozent zu
betragen. Dazu ist eine Ökolandbaustrategie zu entwickeln.
Der ökologische Landbau verzichtet auf den Einsatz von Pestiziden und erbringt
überdies erhebliche Umweltleistungen. Diese Leistungen entstehen, weil
ökologische Anbauverfahren Naturfunktionen stärker nutzen, z. B. die
Nährstoffbereitstellung über die biologische Stickstofffixierung und die
Anregung des Bodenlebens über eine verstärkte Zuführung organischer Substanz.
Damit hat der Ökolandbau u. a. positiven Einfluss sowohl auf die stoffliche
Belastung des Bodenwassers als auch auf die Minderung der Bodenerosion. Durch
den Verzicht auf Pestizide und das niedrige Düngeniveau wird die Vielfalt des
Tier- und Pflanzenlebens gefördert. Doch Ökolandwirte erbringen nicht nur
erhebliche Umweltleistungen in der Region, sondern fördern zudem durch den
Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten die Lebensqualität im ländlichen Raum und
tragen zur Entwicklung des ländlichen Raumes bei. Nicht zuletzt ist
festzuhalten, dass Bio-Produkte und regionale Wertschöpfungsketten erheblich
weniger vom Preisdruck der großen Lebensmitteldiscounter sowie internationaler
Absatzkrisen betroffen sind, wie etwa in den zurückliegenden Preiskrisen für
Milch- und Schweinefleisch erneut deutlich geworden ist.
In Sachsen stieg die Ökolandbaufläche seit 1999 zwar kontinuierlich, jedoch auf
niedrigstem Niveau. Der sächsische Flächenanteil liegt nach wie vor deutlich
unter dem gesamtdeutschen Flächenanteil. Gegenwärtig liegt der Anteil des
Ökolandbaus an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Sachsen bei 5,3 Prozent –
weit entfernt von der Zielmarke von 20 Prozent. Eine Ökolandbaustrategie, die
diesen Namen verdient, fehlt bislang in Sachsen.
8. In Gebieten, die im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes und des Sächsischen
Naturschutzgesetzes als Schutzgebiete ausgewiesen sind, ist der Einsatz von
Pestiziden grundsätzlich auszuschließen. Für kleinräumige Schutzgebiete und
solche mit besonderen Gefährdungen durch Randeinflüsse sowie größere
Schutzgebiete mit wertvollen Biotopen im Randbereich sind außerhalb der
Schutzgebiete liegende Pufferstreifen einzurichten.
Diese Gebiete dienen in besonderer Weise dem Schutz von Natur und Landschaft in
ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen zur Erhaltung, Entwicklung oder
Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften
bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten. Dennoch ist es möglich in fast
allen, der in Sachsen gesicherten Schutzgebiete, Pestizide im Rahmen der
landwirtschaftlichen Nutzung einzusetzen. Allein von 116 ausgewiesenen
Naturschutzgebieten in Sachsen ist in nur 19 Schutzgebieten Landwirtschaft nicht
als zulässige Handlung aufgeführt. In vielen der Schutzgebietsverordnungen von
Naturschutzgebieten wurden der Einsatz von der in der Landwirtschaft angewandten
Mitteln, wie Düngemittel, Biozide, Kalk unter Vorbehalt, d.h. nach Anzeige an
die untere Naturschutzbehörde rechtzeitig vor ihrer Durchführung schriftlich mit
einer ausreichend detaillierten Beschreibung gestellt. Nur in wenigen Ausnahmen
werden in Verordnungen für Naturschutzgebiete chemisch-synthetische oder
biologische Pflanzenschutzmittel dabei mit aufgeführt. Normale
landwirtschaftliche Nutzung beinhaltet bislang die Anwendung von Pestiziden im
Rahmen der Vorgaben des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG). Damit wird der
Schutzzweck ad absurdum geführt. Die Gefahr ist gegeben, dass die Artenvielfalt
nicht geschützt, sondern vernichtet wird. Ein positiver Nebeneffekt der
Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung um den Einsatz der Pestizide
könnte außerdem die gewünschte Erhöhung der ökologisch/biologisch
bewirtschafteten Flächen in Sachsen sein.
Von Zeile 94 bis 95 einfügen:
Krebsforschung (IARC) der WHO, stuft Glyphosat als „wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen“ ein. Glyphosat ist mittlerweile in Europa in einem Großteil der Bevölkerung nachweisbar, in zahlreichen Nahrungsmitteln, in Baumrinden, in Gewässern und selbst in den jungen Schichten des antarktischen Eises. Niemand kann sich vor Glyphosat schützen. Hochproblematisch ist, dass es im Zulassungsverfahren für Agrochemikalien praktisch keine von der Industrie unabhängige Forschung gibt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich deshalb mit Nachdruck für die Einrichtung und die langfristige und verlässliche Finanzierung unabhängiger Forschung insbesondere zu den Auswirkungen von Agrochemikalien und von Gentechnik auf Mensch und Umwelt ein.
Erhalt der natürlichen Ressourcen
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen stehen für eine Landwirtschaft, die schonend
mit den natürlichen Ressourcen umgeht und sicherstellt, dass auch künftige
Generationen ihre Grundbedürfnisse der Ernährung mit den zur Verfügung stehenden
Ressourcen befriedigen können. Das gelingt dann am besten, wenn die
landwirtschaftlichen Betriebe im Einklang mit der Natur und nicht gegen diese
wirtschaften und sich die natürlichen Kreisläufe und deren Wechselwirkungen zu
Nutze machen.
Vor allem anderen ist der dauerhafte Erhalt des Bodens mit seinem Humusgehalt
grundlegend für die Zukunft unserer Landwirtschaft. Nur Böden mit hohem
Humusgehalt und der daraus folgenden hohen Fruchtbarkeit können zuverlässige
Erträge garantieren. Allein ein Gramm Boden enthält Milliarden von
Mikroorganismen. Unter einem Quadratmeter Boden leben Hunderttausende bis
Millionen von Bodentieren. Die Rolle, die diese Organismen für den Umsatz von
Nährstoffen, den Abbau von Schadstoffen und für die Humus- und Bodenbildung
spielen, ist hoch komplex. Ein lockeres Gefüge des Bodens ermöglicht die
Sauerstoffversorgung der angebauten Pflanzen direkt sowie die der im Boden
lebenden Nützlinge. Zudem ist diese wichtig für das Versickern von Niederschlag
auch bei Starkregen und um zugleich Bodenerosion zu vermindern.
Daher muss sich eine zukunftsfähige und in diesem Sinne nachhaltige
Landwirtschaft um den Schutz und den Erhalt des Bodens mit all seinen Funktionen
kümmern. Boden ist nicht beliebig ersetzbar!
Zu den natürlichen Ressourcen gehören neben dem Boden mit seinen komplexen
Lebensstrukturen auch die übrigen Tier- und Pflanzenarten der freien Landschaft
- also die Artenvielfalt bzw. Biodiversität hinsichtlich Anzahl der Arten
(Vielfalt) und Anzahl der jeweiligen Individuen (Biomasse). Auch hier steht
intensiv betriebene Landwirtschaft genau wie beim Boden für ein Wirtschaften,
das seine eigenen Grundlagen langfristig gefährdet. So ist die Landwirtschaft
vielfältig direkt abhängig von Nützlingen, insbesondere Insekten, etwa für
Bestäubung, Bodenlockerung und natürliche Schädlingsreduzierung. Ohne Insekten
ist nur noch eine Landwirtschaft möglich, die im wesentlichen Kohlenhydrat-
Produkte herstellt, die keine Bestäubung durch Tiere brauchen, sondern
windbestäubt sind. Ohne fliegende Insekten gibt es insbesondere kein Obst und
kein Gemüse. Ohne Insekten sinkt langfristig auch die Bodenfruchtbarkeit. Vor
diesem Hintergrund ist die Feststellung, dass wir gegenwärtig ein dramatisches
Insektensterben erleben, höchst alarmierend. Aktuelle Langzeitstudien stellen
für Deutschland einen Rückgang der Insektenbiomasse über die Dauer der letzten
27 Jahre um 70 bis 80 Prozent fest. Insekten sind zudem ein unersetzbares Glied
der Nahrungskette. Ohne Insekten können zahlreiche andere Arten nicht überleben,
die auch wiederum selbst als Teil der Nahrungskette Lebensgrundlage für weitere
Arten sind. Nach Aussagen des Naturschutzbundes Deutschlands (NABU) verschwanden
seit 1980 in ganz Europa 300 Millionen Brutpaare aller Wiesenvögel aus
landwirtschaftlichen Flächen. Das ist ein Rückgang um über 50 Prozent. Besonders
bei insektenfressenden Vogelarten geht der Trend seit Jahren nach unten. In
Deutschland sind laut NABU zwischen 1998 und 2009 12,7 Millionen Vogelbrutpaare
verschiedener Arten verschwunden. Wenn die Entwicklung so anhält, droht mehreren
Arten in absehbarer Zeit das völlige Aussterben. Als wichtigste Ursachen für das
Sterben von Insekten und Vögeln wird die konventionelle Landwirtschaft benannt.
Diskutierte Wirkpfade sind die konsequente Ausräumung der Agrarlandschaft im
Verlauf der letzten Jahrzehnte von vormals vorhandenen Lebensraum bietenden
Strukturen wie Hecken, Bäumen, Gehölzen, Feldrändern und Wegen mit ihren grünen
Rändern. Auf den ausgeräumten Flächen selbst werden immer weniger Kulturen,
immer großflächiger mit immer weniger Fruchtwechseln angebaut und alles andere
Leben - ob Bei- bzw. Unkräuter, Insekten oder Kleinsäuger flächendeckend mit
entsprechenden Pestiziden abgetötet. Intensive Landwirtschaft, so wie sie heute
auch in Sachsen auf dem Großteil der Landwirtschaftsflächen betrieben wird,
steht damit ganz offensichtlich nicht mehr im Einklang mit dem Erhalt der Natur
und der historisch gewachsenen Landschaft.
Glyphosatausstieg jetzt!
Trotz dieser bekannten negativen Folgen ist der massive, flächendeckende und
dauerhafte Einsatz von Pestiziden gängige Praxis in der konventionellen
Landwirtschaft. Einem Mittel kommt dabei besondere Bedeutung zu: Glyphosat.
Glyphosat hat sich im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte zum weltweit am
häufigsten verkauften Herbizid entwickelt. 800.000 Tonnen Produktionsmenge
jährlich entsprechen einem Drittel aller Pflanzenschutzmittel weltweit. In
Deutschland werden in der Landwirtschaft jährlich zwischen 5.000 und 6.000
Tonnen auf rund 40 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt.
Glyphosat wirkt nicht-selektiv gegen Pflanzen. Dies bedeutet, dass alle damit
behandelten Pflanzen absterben. Eingesetzt wird dieses Mittel, um Felder
vollständig frei von (aus Sicht der Landwirte) Unkräutern zu bekommen. Im Obst-
und Weinanbau verhindert es auch den Aufwuchs von Sträuchern. Die Anwendung ist
vergleichsweise einfach und kann zugleich die aufwendige Arbeit mit dem Pflug
ersetzen. Viele Betriebe haben deshalb ihre Bodenbearbeitung in den vergangenen
Jahren so umgestellt, dass ein Pflügen nicht mehr erfolgt. Entsprechende Technik
wurde abgeschafft und wird daher nicht mehr vorgehalten. Hier muss ein Umdenken
erfolgen!
Glyphosat ist zugleich eines der umstrittensten Pflanzenschutzmittel. Es wird
direkt in den Boden appliziert und gelangt durch Auswaschung anschließend auch
in Gewässersysteme. Das Umweltbundesamt hat erhebliche negative Auswirkungen von
Pestiziden im Allgemeinen und von Glyphosat im Speziellen auf die biologische
Vielfalt festgestellt. Durch das Entfernen von Wildkräutern und Beipflanzen
werden Ernährungsgrundlagen und Lebensräume für zahlreiche Lebewesen
eingeschränkt, vernichtet und Ökosysteme dauerhaft geschädigt. Deshalb geht ein
langfristiger Biodiversitätsverlust insbesondere von Insekten und Vögeln mit der
Anwendung von Glyphosat einher. Das Totalherbizid hat negative Auswirkungen auf
„Nichtzielarten“, und zwar nicht nur Pflanzen, sondern auch Tiere. Die
Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hat hohe langfristige Risiken
für pflanzenfressende Säugetiere (z.B. Nutztiere wie Kühe und Schafe) sowie
wildlebende Tierarten (z.B. Vögel und Maulwürfe) festgestellt. Eine weitere
Studie hat festgestellt, dass Glyphosat die Aktivität und Reproduktion der für
die Bodenfruchtbarkeit unverzichtbaren heimischen Regenwürmer hemmt.
Nicht zuletzt sprechen immer mehr Anzeichen dafür, dass Glyphosat auch für den
menschlichen Organismus schädlich ist. Die Internationale Agentur für
Krebsforschung (IARC) der WHO, stuft Glyphosat als „wahrscheinlich
krebserzeugend beim Menschen“ ein. Glyphosat ist mittlerweile in Europa in einem Großteil der Bevölkerung nachweisbar, in zahlreichen Nahrungsmitteln, in Baumrinden, in Gewässern und selbst in den jungen Schichten des antarktischen Eises. Niemand kann sich vor Glyphosat schützen. Hochproblematisch ist, dass es im Zulassungsverfahren für Agrochemikalien praktisch keine von der Industrie unabhängige Forschung gibt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich deshalb mit Nachdruck für die Einrichtung und die langfristige und verlässliche Finanzierung unabhängiger Forschung insbesondere zu den Auswirkungen von Agrochemikalien und von Gentechnik auf Mensch und Umwelt ein.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen setzen sich deshalb dafür ein, dass die
Anwendung von Glyphosat umgehend beendet wird. Damit diese Umstellung für die
sächsischen Landwirtschaftsbetriebe so gut als möglich gelingen kann, sind diese
dabei umfassend zu unterstützen. Je besser der Ausstieg aus dem Glyphosat dabei
geplant und je eher und umfassender er angegangen wird, desto geringer sind
mögliche negative Folgen für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe.
Die Organisation von Betriebsabläufen sowie die dazu passenden Investitionen in
Technik erfolgen in den Betrieben mit langfristiger Perspektive. Grundlegende
Veränderungen gelingen daher umso besser, desto langfristiger sie angegangen
werden. Den Ausstieg aus Glyphosat nicht ab sofort aktiv anzugehen, wäre
unverantwortlich und für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe absehbar mit
vermeidbaren betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden und das in einer
Zeit, in der etwa wiederkehrende Preiskrisen diesen Wirtschaftsbereich sowieso
stark unter Druck setzen. Außerdem würden aber die mit einem gut geplanten und
umgesetzten Ausstieg verbundenen Chancen für langfristig nachhaltigere
Strukturen verzögert oder verpasst. Gegenüber anderen europäischen Regionen und
deutschen Bundesländern, die den Ausstieg gemeinsam mit den Landwirten jetzt
aktiv angehen, würde Sachsen erhebliche und kaum wieder aufholbare
Standortnachteile entwickeln. Jetzt geht es nicht mehr darum, ob man den
Ausstieg aus Glyphosat aus eigener Einsicht will oder nicht, sondern nur noch,
ob man ihn aktiv gestaltet oder davon überrollt wird.
Mit dem Verbot von Glyphosat sind daher für zahlreiche Betriebe erhebliche
Auswirkungen auf deren gesamtes, auf langjährige Perspektiven und Zyklen
ausgerichtetes Betriebssystem verbunden und gleichermaßen auch zum Teil
erhebliche Kosten. Zugleich ist festzuhalten, dass die Umstellung auf
Bodenbearbeitung ohne Pflug bis vor wenigen Jahren noch staatlich gefördert
wurde und auch der Einsatz von Glyphosat staatlich nicht nur genehmigt, sondern
auch durch die Behörden im Rahmen der guten fachlichen Praxis angesehen und
befürwortet worden ist. Daher dürfen Landwirtschaftsbetriebe berechtigt darauf
vertrauen, dass eine nunmehrige Änderung dieses im Wesentlichen erst in den
letzten beiden Jahrzehnten eingeführten Systems nun nicht von den
Landwirtschaftsbetrieben allein geleistet werden darf. Geänderte
gesellschaftliche Anforderungen an die Landwirtschaft sollen auch als
gesamtgesellschaftliche Aufgabe aufgefasst und deshalb die Betriebe bei ihrer
Umstellung unterstützt werden.
Sachsens Landwirtschaft insgesamt unabhängig von Pestiziden machen
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen setzen sich dafür ein, dass der Ausstieg aus
dem Einsatz von Glyphosat, das gegenwärtig noch integraler Bestandteil der
Flächenbewirtschaftung einer Vielzahl der Betriebe ist, dafür genutzt wird, die
Landwirtschaft durch eine generelle Pestizidreduktionsstrategie unabhängiger von
Produkten der Agrochemie zu machen.
Seitens der bisherigen Befürworter einer Verlängerung des Einsatzes von
Glyphosat wird vorgebracht, dass es zurzeit kein chemisches Mittel gäbe, das für
den Landwirt so effektiv sei wie Glyphosat. Entweder seien denkbare Ersatzstoffe
toxischer oder unwirksamer oder beides und zudem in der Regel auch teurer.
Außerdem sei die Entwicklung neuer Wirkstoffe durch aufwendige und damit
verbunden äußerst langjähriger und teurer Zulassungsverfahren kaum noch möglich.
Nicht nur deshalb kann der unabwendbare Ausstieg aus Glyphosat nicht mit der
Zielsetzung erfolgen, dieses Mittel wegen seiner sich immer deutlicher
abzeichnenden negativen Nebenwirkungen einfach durch ein oder mehrere andere
oder neue chemische Substanzen zu ersetzen. Vielmehr ist eine strukturelle
Abkehr von der in den letzten Jahrzehnten entstandenen Abhängigkeit weiter
Bereiche der Landwirtschaft von der Agrochemie dringend erforderlich.
Langjährig verwendete Mittel haben aufgrund natürlicher Ausleseprozesse über die
Jahre ihres Einsatzes stets und unausweichlich eine abnehmende Wirkung, weshalb
sie in immer größerer Menge eingesetzt werden müssen. Deutschlandweit erhöhte
sich der Inlandsabsatz an Wirkstoffen in Pflanzenschutzmitteln laut dem
Statistischen Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten seit 1993 von
28.930 Tonnen auf 48.611 Tonnen im Jahr 2016. Ebenfalls bilden sich mit der Zeit
immer mehr Resistenzen, weshalb auch eine Steigerung der Wirkstoffmengen
irgendwann an ein natürliches Ende gelangt. Zugleich zeigen sich regelmäßig erst
nach langjährigem und großflächigem Einsatz der einzelnen, in dieser Form in der
Natur jeweils nicht natürlich vorkommenden chemischen Wirkstoffe deren
ungewollte schädigenden Wirkungen auf Boden, Pflanzen, Tiere und Mensch. Dadurch
findet der Einsatz jeder Chemikalie früher oder später ein Ende. Entweder wird
der Einsatz wegen Wirkungslosigkeit beendet oder aufgrund bestehender Gesetze
und gesellschaftlichen Drucks wird der Einsatz rechtlich immer weiter
eingeschränkt, um schließlich ganz verboten zu werden. Die Geschichte der
Agrochemie zeigt die Gültigkeit dieser Regel für ausnahmslos alle bisher auf den
Markt gebrachten Wirkstoffe. Erinnert seien beispielsweise an das jahrzehntelang
weltweit meistverwendete Insektizid DDT, das heute verboten ist, weil es nicht
nur die Schalen von Vogeleiern schädigt, sondern zu erheblichen Krebsrisiken für
den Menschen führt; das Insektizid Dieldrin, das zu einem regelrechten Fisch-
und Vogelsterben sowie zu Todesfällen bei Nutztieren und Hausgeflügel führte und
deshalb verboten wurde oder das zur Behandlung von Entzündungen und Schmerzen
bei Rindern eingesetzte Diclofenac.
Gegenwärtig finden Landwirte immer mühsamer Mittel, die überhaupt noch zum
Einsatz zur Verfügung stehen etwa gegen Pflanzenschädlinge oder Insekten, die
Mais oder Raps schädigen, weil Pflanzen und Insekten durch den massenhaften und
dauerhaften Einsatz von Agrarchemikalien gegen die marktgängigen Produkte der
Chemiekonzerne Resistenzen herausgebildet haben. So gibt es etwa gegen das
resistente Gras Ackerfuchsschwanz keine chemischen Herbizide mehr, die sicher
wirken. Der Ackerfuchsschwanz hat diese Resistenzen gegen die bislang sicher
wirksamen Herbizide Atlantis (von Bayer), Caliban (Cheminova), Broadway (Dow
Agro), Traxos und Axial (beide Syngenta) erst neuerdings entwickelt. Dabei ist
der Ackerfuchsschwanz nur ein Beispiel von immer mehr erst neuerdings
multiresistenten Wildkräutern. Diese gewöhnen sich schlicht an die chemischen
Wirkstoffe und scheiden sie wieder aus, anstatt daran zugrunde zu gehen. Man
geht davon aus, dass die Ursache darin liegt, dass die Landwirtschaftsbetriebe
oft nicht mehr pflügen, sondern stattdessen ihre Felder vor der Aussaat mit
Glyphosat bereinigen und später standardmäßig selektive Herbizide gegen die
Gräser einsetzen. Genauso mehren sich die Meldungen zu resistenten schädlichen
Insekten, wie u.a. Rapsglanzkäfer, Kohlschotenrüssler, Rapserdfloh und mehrere
Blütenschädlinge. Vergleichbar ist das mit der Situation in der Medizin, in der
wegen des breiten Einsatzes von Antibiotika die Gefahr absehbar wird, dass keine
Wirkstoffe mehr für konkrete Bedarfsfälle zur Verfügung stehen.
Dazu kommen die Folgen des langjährigen, kontinuierlichen und in weiten
Bereichen flächendeckenden Einsatzes erheblicher Mengen chemischer Einsatzstoffe
auf Feldern und in Plantagen, also in der freien Landschaft für die Umwelt,
namentlich Boden und Bodenorganismen, Wasser, Natur (wilde Tiere und Pflanzen),
Nutztiere sowie die menschliche Gesundheit. Vor diesem Hintergrund ist jedes
Gramm Wirkstoff, das weniger eingesetzt wird, ein absoluter Gewinn.
Nicht zuletzt stehen weite Bereiche der Landwirtschaft vor dem Problem, dass sie
sich in den letzten Jahrzehnten in eine völlige Abhängigkeit von der Agrochemie
begeben haben. Die berechtigten Klagen, dass vom Endverkaufspreis
landwirtschaftlicher Produkte gerade beim Landwirt nur ein kleiner Bruchteil
ankommt, stehen auch im Zusammenhang mit dieser Abhängigkeit. Der Weltmarkt
allein für Pflanzenschutzmittel (also ohne chemische Düngemittel) betrug im Jahr
2014 42,7 Mrd. Euro. Der Umsatz in Deutschland lag bei 1,6 Mrd. Euro. Zur Zeit
werden pro Jahr deutschlandweit über 48.000 Tonnen Wirkstoffe verkauft.
Schon angesichts aktuell fehlender chemischer Alternativen zum Glyphosat steht
ein Ersatz dieses Stoffes unter Beibehaltung der gegenwärtigen
glyphosatbasierten Bodenbearbeitung nicht zur Debatte. Weder ist in der Chemie-
Forschung eine Alternative absehbar, noch ist die Suche danach überhaupt
sinnvoll. Das System einer auf dem breiten standardmäßigen Einsatz von
Agrochemie basierenden Landwirtschaft ist bereits heute deutlich erkennbar an
sein Ende gelangt.
Es ist daher zwingend erforderlich, die landwirtschaftliche Praxis grundsätzlich
weiter zu entwickeln. Eine Abkehr vom derzeitigen Landwirtschaftsmodell, das
durch die Abhängigkeit und den übermäßigen Einsatz von Pestiziden gekennzeichnet
ist, ist unabweisbar – im Interesse der Landwirtschaft selbst, der Gesellschaft
insgesamt und der Umwelt. Die Folgekosten für Umweltschäden an Wasser, Boden,
Fauna und Flora können nicht mehr hingenommen werden. Längst sind der
Insektenschwund, der Rückgang der Brutvögel und die ausgeräumte Landschaft in
die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Es besteht die absolute Notwendigkeit des
Übergangs zu einer nachhaltigen Erzeugung von Lebensmitteln, die den
nachhaltigen Schutz und die nachhaltige Ernährung von Nutzpflanzenkulturen
beinhaltet. Die Zukunft der Ernährung und einer gesunden Umwelt liegt darin, mit
der Natur und ihren natürlichen Prozessen zu arbeiten und nicht gegen sie. Die
Forderung an die Landwirtschaft besteht nicht nur in einer ausreichenden
Erzeugung von Lebensmitteln, sondern auch in der Erzeugung von qualitativ
hochwertigen Lebensmitteln. Eine Belastung der landwirtschaftlichen Produkte mit
Pestiziden ist darunter nicht zu verstehen. Die Forderung nach einer
Pestizidreduktionsstrategie ist gleichzeitig der Schutz der Landwirtinnen und
Landwirte selbst als Anwenderinnen und Anwender sowie der Verbraucherinnen und
Verbraucher. Landwirtschaft muss sich neben der Erzeugung von Produkten als
größter Flächennutzer wesentlich wieder auf den Erhalt von gesunden Böden und
die Funktionen des Ökosystems konzentrieren, auch um im unmittelbaren eigenen
Interesse Nutzpflanzen zu schützen, zu pflegen und mit Nährstoffen zu versorgen.
Es geht heute darum, die Abhängigkeit der Landwirtschaftsbetriebe von zunehmend
kostspieligen Produktionsmitteln zu reduzieren, damit sie wieder unabhängig von
Renditeinteressen der Agrarchemiekonzerne agieren können. Eine zukunftsfähige
Landwirtschaft bedeutet die konsequente Abkehr eines immer weiter steigenden
Einsatzes oder des aufeinander folgenden Wechsels von Pestiziden. Vorbild und
Leitbild ist dabei die ökologische Landwirtschaft. Die Landwirtschaft insgesamt
muss sich deutlich in diese Richtung entwickeln.
Damit das möglich wird, setzt sich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in Sachsen
insbesondere für folgende Forderungen ein, die konsequent umzusetzen sind:
1. Für die Unkrautregulierung ist die Nutzung von nicht-chemischen Techniken,
die die Anwendung von Herbiziden minimieren bzw. unnötig machen, zu forcieren
und damit langfristig eine Abkehr vom prophylaktischen Herbizideinsatz sowie vom
Herbizideinsatz als generelle Methode zur Unkrautbekämpfung zu erreichen.
Untersuchungen zeigen, dass Unkrautbewuchs sich nur unter bestimmten
Voraussetzungen auf die Erträge auswirkt, dass Nutzpflanzenkulturen kein
gänzlich unkrautfreies Feld benötigen und dass im Gegenteil viele Wildpflanzen
anderen Nützlingsarten, die die Kulturpflanzen vor möglichen Schädlingen
schützen, ein Mikrohabitat bieten. Eine unerwünscht starke Konkurrenz durch
Unkrautpflanzen lässt sich durch eine Reihe von Techniken verhindern, die in
verschiedenen Anbausystemen bereits erfolgreich angewandt werden. Diese Methoden
haben sich als mindestens genauso kosteneffizient erwiesen wie etwa der Einsatz
des Totalherbizids Glyphosat. Sie haben jedoch nicht die negativen Auswirkungen
auf die Biodiversität wie eine Anwendung von Pestiziden über einen längeren
Zeitraum. Als Alternative zum Einsatz von einer großen Chemiekeule – wie
Glyphosat – haben sich in der Unkrautkontrolle die so genannten „vielen kleinen
Hämmer“ bewährt. Alternative Methoden der Unkrautregulierung bestehen aus einer
Kombination von mechanischen, physikalischen und biologischen Verfahren, wie zum
Beispiel:
- geeignete Fruchtfolgen einschließlich
- gezielter Zwischenfruchtanbau zur Regulierung von mehrjährigen und
Wurzelunkräutern
- Bodenbedeckung durch Mulch oder Gründüngung
- Fruchtwechsel von unkrautanfälligen Kulturen und Kulturen, die es
ermöglichen, Unkräuter zu kontrollieren, bevor sie Samen produzieren
- Wechsel zwischen Winterungen und Sommerungen
- Unkrautkontrolle im Saatbett: Vorbereitung des Saatbetts vor der Aussaat
bzw. Anpflanzung der Kulturpflanzen durch Unkrautkuren in Kombination mit
mechanischer Unkrautbekämpfung
- Mulchen, um das Aufkeimen von Unkraut zu unterdrücken
- kahle Böden bei Anpflanzungen vermeiden, zum Beispiel durch den Anbau von
Mischkulturen, Zwischenkulturen oder Untersaaten, die vor der Hauptfrucht
aufwachsen
- flaches Pflügen, um Gemeinschaften von Bodenlebewesen und Bodenstrukturen
zu erhalten, und um zu vermeiden, dass Unkrautsamen aus dem Samenvorrat im
Erdreich hoch geholt werden
- bei größeren Kulturpflanzen: Einsatz von Rollhacken zwischen den Reihen
und in den Reihen später in der Saison
- thermische Behandlung mit Wasserdampf oder Abflammgeräte/Heizplatte
2. Das Prinzip des integrierten Pflanzenschutzes ist endlich konsequent als
Standard in der landwirtschaftlichen Praxis durchzusetzen: Kaskadenprinzip,
Chemikalien nur als letztes Mittel und Nützlinge ihre Arbeit tun lassen.
Das Konzept des integrierten Pflanzenschutzes (Integrated Pest Management - IPM)
nutzt die Schädlingsregulierung durch das Vorkommen von Schädlingsräuberarten.
Durch eine hohe biologische Vielfalt, die Vermeidung von Monokulturen und eine
Vielfalt an Habitatstrukturen können Probleme auf natürliche Weise verhindert
werden. Der Einsatz von chemischen Mitteln verhindert diese Wirkung. Die
Schädlingsregulierung durch den Einsatz von chemischen Mitteln soll deshalb erst
als letztes erfolgen. Dieser minimierte Einsatz schützt außerdem vor
Resistenzbildung bei Schädlingen.
Der Integrierte Pflanzenschutz ist als Konzept bereits in den EU-
Rechtsvorschriften (Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und Richtlinie 2009/128/EG)
verankert und wird durch diese gefördert. Es reicht allerdings nicht aus, das
Konzept bloß zu fördern. Die Implementierung der Verfahren des integrierten
Pflanzenschutzes erfolgt nur lückenhaft und muss verbindlich vorgeschrieben
werden. Viele Methoden der Schädlingsregulierung durch integrierten
Pflanzenschutz sind maßgeblich auf die biologische Vielfalt angewiesen,
insbesondere auf die im Boden und im jeweiligen Agrarökosystem lebenden
nützlichen Schädlingsräuberarten. Die prophylaktische Anwendung von Glyphosat
und anderen Pestiziden (gegen Unkräuter, die sich gar nicht auf die Erträge
auswirken würden oder gegen Schädlinge, die noch nicht einmal zu sehen sind),
und insbesondere die Anwendung dieser Chemikalien als Wirkstoff zur
Abreifebeschleunigung und Austrocknung der Kulturpflanzen (nur noch in
Ausnahmefällen), ziehen gravierende Kollateralschäden für die Biodiversität nach
sich. Sie behindern die Wirksamkeit der auf Biodiversität angewiesenen
natürlichen Abwehrmechanismen. Sie verhindern sogar, dass diese überhaupt eine
Chance bekommen, wirksam zu werden und damit den Bedarf an Pestiziden zu
reduzieren. Das wahllose Abtöten aller Unkräuter/Wildblumen bewirkt zudem, dass
das ganze Jahr über weniger Nahrung für Bienen und andere wilde Bestäuber zur
Verfügung steht. In dem kurzen Zeitfenster, in dem Kulturpflanzen, die auf die
Bestäubung durch Insekten angewiesen sind, in die Blüte kommen, erfolgt
infolgedessen eine weit weniger wirksame Bestäubung der Kulturen, was wiederum
zu einem Rückgang der Erträge führen kann. Nach dem gleichen Prinzip lassen sich
umgekehrt Schädlingsausbrüche erfolgreich eindämmen, indem man die Verfügbarkeit
von Futter für deren natürlichen Feinde, die Schädlingsräuber, erhöht, zum
Beispiel indem man zusammen mit dem Getreide Wildblumen aussät. Deshalb ist hier
nach dem Kaskadenmodell vorzugehen und es sind zuerst alle verfügbaren
physikalischen, mechanischen und biologischen Alternativen auszuschöpfen und
Pestizide nur in letzter Instanz einzusetzen, wenn alle vorbeugenden Maßnahmen,
wie die Steigerung der strukturellen und biologischen Diversität, die
Risikostreuung und das Vermeiden von Monokulturen nicht ausreichend greifen. Das
trägt auch dazu bei, das Problem der Resistenzen zu lösen und verringert die
Notwendigkeit, in einem kostspieligen evolutionären Rüstungswettlauf immer
wieder neue Chemikalien zu entwickeln.
3. Der Bodenschutz ist mit Hilfe von Bodenorganismen und einer positiven
Humusbilanz mit der Anwendung von weiten Fruchtfolgen, Untersaaten und
Zwischenfruchtanbau zu sichern.
Der dauerhafte Erhalt strukturreicher Böden ist die Grundlage jeder
landwirtschaftlicher Nutzung. Bei einseitigen Fruchtfolgen geht die
Aggregatstabilität, die Infiltrationsrate und die mikrobielle Biomasse zurück.
Weite Fruchtfolgen, ganzjährig bedeckter Boden und eine hohe Masse an
Bodentieren garantieren auch sehr langfristig zuverlässige Erträge.
4. Der Erhalt und die Wiederherstellung der Ökosystemfunktionen von
landwirtschaftlich genutzten Flächen und des Landschaftsbildes für die
Gesellschaft und auch zum Nutzen der landwirtschaftlichen Praxis und deren
gesellschaftlichen Akzeptanz ist deutlich in den Fokus als anzustrebendes Ziel
zu rücken.
Bei einer Pestizidreduktion wird die Biodiversität auf den Feldern und
angrenzenden Flächen gefördert. Damit wird dem Verlust der biologischen Vielfalt
entgegengewirkt und der Schutz von Ökosystemen gewährleistet. Durch die
tiefgründige Wiederbelebung der Böden wird dem Klimawandel Rechnung getragen,
indem Überschwemmungen durch eine höhere Wasserspeicherkapazität abgemildert und
Trockenperioden durch tief wurzelnde, abwehrkräftigere Pflanzen überstanden
werden können.
5. Der Einsatz von Breitbandherbiziden ist zugunsten selektiv wirkender Mittel
deutlich zu reduzieren.
Der Einsatz von Breitbandherbiziden wie dem Totalherbizid Glyphosat führt dazu,
dass sämtliche Pflanzen auf der Fläche oder zumindest eine Vielzahl abgetötet
werden, obwohl mögliche Schadwirkungen aber nur von bestimmten Pflanzen
(Unkräutern) ausgehen. Deshalb ist es auch nach dem Grundgedanken etwa des
integrierten Pflanzenschutzes, sich auf den minimalen, tatsächlich
erforderlichen Einsatz von Mitteln und Wirkungen zu beschränken zwingend, sich
im Bedarfsfall auf zielgenau wirkende, also selektive Mittel zu beschränken.
6. Der Einsatz von Pflanzenschutz- und Behandlungsmitteln ist auf Tageszeiten zu
beschränken, in der Bienen und andere bestäubende Insekten nicht oder kaum auf
diesen Flächen angetroffen werden.
Zahlreiche Pestizide und insbesondere Neonicotinoide haben umfangreiche negative
Auswirkungen auf Bienen und andere bestäubende Insekten. Sie tragen insbesondere
zum grassierenden Bienensterben bei. Da Bienen und Insekten nur zu bestimmten
Tageszeiten aktiv sind, muss in jedem Fall vermieden werden, dass Mittel während
ihrer Flugzeit oder einer Nahrungsaufnahme auf den betreffenden Pflanzen
ausgebracht werden und so die Tiere direkt damit in Kontakt kommen.
7. Der Anteil des Ökolandbaus an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Sachsen
ist kontinuierlich zu steigern, um bis spätestens 2030 mindestens 20 Prozent zu
betragen. Dazu ist eine Ökolandbaustrategie zu entwickeln.
Der ökologische Landbau verzichtet auf den Einsatz von Pestiziden und erbringt
überdies erhebliche Umweltleistungen. Diese Leistungen entstehen, weil
ökologische Anbauverfahren Naturfunktionen stärker nutzen, z. B. die
Nährstoffbereitstellung über die biologische Stickstofffixierung und die
Anregung des Bodenlebens über eine verstärkte Zuführung organischer Substanz.
Damit hat der Ökolandbau u. a. positiven Einfluss sowohl auf die stoffliche
Belastung des Bodenwassers als auch auf die Minderung der Bodenerosion. Durch
den Verzicht auf Pestizide und das niedrige Düngeniveau wird die Vielfalt des
Tier- und Pflanzenlebens gefördert. Doch Ökolandwirte erbringen nicht nur
erhebliche Umweltleistungen in der Region, sondern fördern zudem durch den
Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten die Lebensqualität im ländlichen Raum und
tragen zur Entwicklung des ländlichen Raumes bei. Nicht zuletzt ist
festzuhalten, dass Bio-Produkte und regionale Wertschöpfungsketten erheblich
weniger vom Preisdruck der großen Lebensmitteldiscounter sowie internationaler
Absatzkrisen betroffen sind, wie etwa in den zurückliegenden Preiskrisen für
Milch- und Schweinefleisch erneut deutlich geworden ist.
In Sachsen stieg die Ökolandbaufläche seit 1999 zwar kontinuierlich, jedoch auf
niedrigstem Niveau. Der sächsische Flächenanteil liegt nach wie vor deutlich
unter dem gesamtdeutschen Flächenanteil. Gegenwärtig liegt der Anteil des
Ökolandbaus an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Sachsen bei 5,3 Prozent –
weit entfernt von der Zielmarke von 20 Prozent. Eine Ökolandbaustrategie, die
diesen Namen verdient, fehlt bislang in Sachsen.
8. In Gebieten, die im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes und des Sächsischen
Naturschutzgesetzes als Schutzgebiete ausgewiesen sind, ist der Einsatz von
Pestiziden grundsätzlich auszuschließen. Für kleinräumige Schutzgebiete und
solche mit besonderen Gefährdungen durch Randeinflüsse sowie größere
Schutzgebiete mit wertvollen Biotopen im Randbereich sind außerhalb der
Schutzgebiete liegende Pufferstreifen einzurichten.
Diese Gebiete dienen in besonderer Weise dem Schutz von Natur und Landschaft in
ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen zur Erhaltung, Entwicklung oder
Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften
bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten. Dennoch ist es möglich in fast
allen, der in Sachsen gesicherten Schutzgebiete, Pestizide im Rahmen der
landwirtschaftlichen Nutzung einzusetzen. Allein von 116 ausgewiesenen
Naturschutzgebieten in Sachsen ist in nur 19 Schutzgebieten Landwirtschaft nicht
als zulässige Handlung aufgeführt. In vielen der Schutzgebietsverordnungen von
Naturschutzgebieten wurden der Einsatz von der in der Landwirtschaft angewandten
Mitteln, wie Düngemittel, Biozide, Kalk unter Vorbehalt, d.h. nach Anzeige an
die untere Naturschutzbehörde rechtzeitig vor ihrer Durchführung schriftlich mit
einer ausreichend detaillierten Beschreibung gestellt. Nur in wenigen Ausnahmen
werden in Verordnungen für Naturschutzgebiete chemisch-synthetische oder
biologische Pflanzenschutzmittel dabei mit aufgeführt. Normale
landwirtschaftliche Nutzung beinhaltet bislang die Anwendung von Pestiziden im
Rahmen der Vorgaben des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG). Damit wird der
Schutzzweck ad absurdum geführt. Die Gefahr ist gegeben, dass die Artenvielfalt
nicht geschützt, sondern vernichtet wird. Ein positiver Nebeneffekt der
Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung um den Einsatz der Pestizide
könnte außerdem die gewünschte Erhöhung der ökologisch/biologisch
bewirtschafteten Flächen in Sachsen sein.